Hannibal Verlag / ISBN: 978-3-85445-731-2
Übersetzung: Paul Fleischmann
Text: Torsten Sarfert
Vor ziemlich genau 45 Jahren erschien zum 25jährigen Thronjubiläum der Queen mit „God Save The Queen“ die zweite Single der Sex Pistols und landete trotz oder wegen kontroversester Lyrics direkt auf Platz 1 der NME Charts, jedoch „nur“ auf Platz 2 der offiziellen UK Single Charts. Diese Charts wurden auch offiziell von der BBC verwendet, die den Song allerdings boykottierte. Somit hätte dieser nicht nur nach der Auffassung vieler Punk Fans von Rechts wegen ebenfalls auf Platz 1 gehört.
Diese mehr oder weniger bekannte Anekdote aus der Sex Pistols Geschichte findet sich unter anderen in der jetzt erstmals auf Deutsch vorliegenden Autobiographie von Steve Jones, dem Gitarristen der ikonischen englischen Punk Band. Vieles wurde in den fast 50 Jahren seit ihrer ersten Trennung über die Pistols geschrieben. Dabei wechselten sich Musikjournalisten, die um musikhistorische Einordnung bemüht waren, mit ex-Bandmitgliedern (+ Managern) ab, denen es eher um die Betonung des eigenen (und natürlich jeweils größten) Beitrags zum Phänomen Sex Pistols und in ähnlichem Masse um die schmutzige Wäsche der anderen ging.
Auch der (S)ex-Pistol Steve Jones bricht bei seinen Memoiren nicht mit dieser Tradition. Allerdings nimmt er sich selbst ebenso hart ran, wie seine ehemaligen Weggefährten. Er berichtet von einer schwierigen Kindheit in Sheperd’s Bush, sexuellem Missbrauch und einem bunten Strauß an Obsessionen, von denen er sich bis heute nicht vollständig freimachen konnte (hat er nun Keith Richards oder Rod Stewarts Mantel geklaut?). Wenn man schmunzelnd über die ständigen Verweise auf des Autors ungebremste Virilität und Cleverness hinweglesen kann und einen der meist rotzige Ton im allgemeinen amüsiert, kann man mit dem durchaus kurzweiligen und ziemlich breitbeinigen Buch von „Lonely Boy“ Steve Jones viel Freude haben. Zumal seiner Geschichte nach den Sex Pistols und seinem Umzug nach L.A. noch einige weitere musikalisch und persönlich spannende Kapitel hinzugefügt wurden.
Darin liegt auch der Mehrwert des Buches: Gleichermaßen großspurig und verletzlich im Ton, wird man Zeuge des klassischen Werdegangs eines einsamen, unterprivilegierten Jungen, der trotz widrigster Umstände von der Musik (und einigem was dazuzugehören scheint) in die Spur gebracht wurde. Die Geschichte mit den Sex Pistols ist da nur ein Teil des Ganzen. Umso bedauerlicher, dass sich der Verlag für den Titel „Meine Sex Pistols Geschichte“ entschieden hat und nicht beim überaus passenden Originaltitel „Lonely Boy“ blieb. Trotzdem ein klasse Buch, nicht nur für die „Holidays in the sun“.