Matador Records / VÖ: 5. November 2021 / Indie, Pop
snailmail.band
Text: Michael Messerli
Keine Luftschlösser mehr, es reicht noch knapp für Sandburgen. Lindsey Jordan hat keine einfache Zeit hinter sich. Die 22-jährige Frau hinter Snail Mail hat mit gerade mal 17 Jahren das zurecht gefeierte Debüt „Lush“ geschrieben. Heute klingt sie abgeklärter, dafür aber auch uninspirierter. Und das hat seine Gründe. „Valentine“ reicht nicht an das Debüt heran, es streckt noch nicht einmal die Hand danach aus, sondern verabschiedet sich vom Bedroom-Indie, den Snail Mail zusammen mit anderen jungen Songwriterinnen in unsere Wohnzimmer gebracht haben. 45 Tage in einer Erholungsklinik sind jedoch auch keine besonders gute Basis für ein zweites Album, das die Erwartungen eines Debüts erfüllen soll, dessen Erfolg zu genau dieser Krise geführt hat. Er machte Jordan zu schaffen. Plus eine schmerzhafte Trennung. Kein Wunder also, dass sie lieber nach vorne schaut als zurück.
Das führt musikalisch zu mehr Samples und Synthesizern, was einen Song wie „Forever (Sailing)“ aber mehr in den Sand setzt, als dass es ihm hilft. Risse in der Sandburg also. Bis dahin ist „Valentine“ ein gutes Album, aber im Gesamtkontext eben auch nicht mehr und „Madonna“ sowie die Fingerübung „c. et al.“ destabilisieren das Gebilde weiter. Offenbar durfte Jordan keine Instrumente mit in die Klinik nehmen und schrieb da aber trotzdem Songparts. Es ist nachvollziehbar, woraus „Valentine“ entstanden ist. Aber es verfehlt seine Wirkung.
Das ist schade. Jordan hat gesanglich nochmals einen Schritt nach vorne gemacht und ihr Talent an der Gitarre ist unbestritten. Die neuen Elemente sind – an den richtigen Stellen eingesetzt – definitiv auch ein Mehrwert. Der eröffnende Titeltrack spielt gekonnt mit ruhiger, zurückhaltender Strophe und ausbrechendem Refrain. „Ben Franklin“ hat einen gewinnenden Beat, zu dem man in der Indiedisco sehr gerne tanzen wird. „Headlock“ beginnt beinahe beschwingt und leistet sich auch sonst keine unnötigen Ausflüge auf Nebenschauplätze. Hier funktioniert „Valentine“ tadellos. Und dann kommt mit „Light Blue“ sogar ein kleines Leuchten. Darauf lässt sich aufbauen. „Valentine“ ist ihr erst zweites Album und deshalb bleibt das hoffnungsvolle Grundgefühl bestehen: Da kommt sicher noch mehr und vielleicht kommt es anders.