Second Unit – Die Filmkolumne
Text: Michael Bohli
Eine kleine Feier zum 60. Geburtstag, das darf sein – ja, es wird gar oft verlangt. Die Stiftung Filmbulletin tat also gut daran, das Hohe und beachtliche Alter des Filmmagazins aus Zürich mit mehreren Anlässen zu zelebrieren. Doch was ist das Filmbulletin überhaupt? In unserem Beitrag vom 30. Januar 2019 schrieben wir:
„In Zeiten, in denen Filme nicht mehr gesehen, sondern konsumiert werden, zeichnet sich schnell ein falsches Bild der Filmindustrie ab. Das ist nicht nur ein Fehler von bekannten Streamingdiensten und geldgeilen Studiobossen, sondern oft die fehlende Bereitschaft der Kinogänger, sich selbst herauszufordern und Wagnisse einzugehen. Mehr als wohltuend ist es in diesen Momenten zu wissen, dass noch nicht alle den Kampf aufgegeben haben. Das Magazin Filmbulletin steht seit 60 Jahren dafür ein, die Horizonte zu erweitern, die Leinwände bunter zu gestalten, die Vielfalt zu beleben. Mit kritischen und tiefgründigen Texten, ausführlichen Essays, frechen Details und einem unerschöpflichen Wissen.“
So weit so wundervoll, etwas tiefer in die Geschichte und Materie des Heftes wurde am Samstag 29. Juni im RiffRaff eingetaucht. Die Redaktion lud zu einer Veranstaltung im Kinosaal, bei der nicht nur die Publikation gewürdigt wurde, sondern eine Präsentation die Zeitreise hinter den Kulissen ermöglichte, und der experimentelle Streifen „Chicorée“ (1968) von Fredi M. Murer gezeigt wurde. Natürlich mit einleitendem Gespräch und einigen Gedankenanregungen des Regisseurs selber, was nur noch mehr bewies, wie unterhaltsam der Streifen auch heute noch wirkt. Die schockende Wirkung haben die Bilder zwar etwas eingebüsst, dafür lässt sich mit Urban Gwerder herrlich in der vergangenen Zeit von Zürich Einblick erhaschen.
Im Hier und Jetzt verankert und in knallende Neonfarben gehüllt waren die Bilder und Aufnahmen von „The Beach Bum„. Die neuste Produktion des amerikanischen Filmemachers Harmony Korine wurde am Sonntag 30. Juni im Bloom Freiluftkino im Innenhof des Landesmuseums in Zürich gezeigt. Präsentiert vom Filmbulletin und mit einer Einführung von Chefredakteurin Tereza Fischer ergänzt, erwies sich die Geschichte als zahmer, als man nach dem furiosen und bis heute strahlenden «Spring Breakers» erwartet hätte. Mit dem verkommenen Poeten Moondog (entrückt gespielt von Matthew McConaughey) und der abgehobenen Oberschicht (Jonah Hill, Snoop Dog und leider zu selten zu sehen; Isla Fisher) trifft man zwar auf absurde Charaktere, technisch ist der Film jedoch zu stringent.
Die meist linear erzählte Geschichte wird nie so kritisch und sarkastisch, wie ich es mir erhofft hatte, weiss am Ende aber mit einigen tollen Szenen und dem schleichenden Abdriften in die Welt der Fantasien und Wahnvorstellungen zu überzeugen. Trotzdem, Harmony Korine wirkt mit den grossen Namen und dem grossen Budget etwas zu ins System eingegliedert. Immerhin wirft er auch hier mit ungewohnten Kameraperspektiven, harten Schnitten und einer vollgepackten Tonspur um sich.
Umso gemütlicher dafür die Szenerie, welche einem beim Landesmuseum empfängt. Eine Bar und diverse Essensstände, schön dekorierte Sitzbereiche und die grosse Leinwand vor dem ehrwürdigen Gebäude – so hebt man sich von dem heutigen Massenprodukt „Open-Air-Kino“ geschickt ab.
Alle Informationen und das Programm des Bloom Freiluftkino findet ihr hier: bloomkino.ch