Initiative Musik / VÖ: 14. Juli 2023 / Dark-Americana
Sally Grayson
Text: Torsten Sarfert
„The Darkness In Me“ ist das eindrucksvolle Debüt der in Deutschland lebenden US-Amerikanerin Sally Grayson. Dass sie nicht erst gestern angefangen hat Musik zu machen, merkt man schon beim titelgebenden Opener. Da wird man zunächst vom Sprechgesang ihrer kehligen und äusserst kraftvollen Stimme sanft in den Song eingesogen, um sich dann beim explosiven Refrain vor wohligen Schauern entlang des Rückens nicht mehr retten zu können. Tight, nach vorne und sehr audiophil produziert, gelingt hier ein nicht nur gesanglich fulminanter Einstieg in ein grossartiges Album.
Die zehn Songs, aufgenommen im Dust & Stone Recording Studio in Tucson, Arizona, sind allesamt hell strahlende Sterne am klaren Wüstenhimmel. Kein Wunder: Wüsten-Wizard und Studioinhaber Gabriel Sullivan (INEZONA, XIXA, Calexico…) zeichnete sich für die Produktion verantwortlich und machte alles richtig: Er gab Sally viel Raum für ihre Stimme und Songs und steuerte sparsam und effektiv, wunderbare (und wunderbar schräge) Gitarrensounds, spacige Synthies und auch mal – wie auf dem Lee Hazlewood Cover „Sand“ und „Intercede“ – brummige Gesangsparts ein. A propos „Intercede“: Wer sich immer noch fragt, was die Genrebezeichnung „Dark-Americana“ oder „Gothic-Country“ eigentlich bedeutet, wird hier akustisch aufgeklärt.
Trotz der Kohärenz der einzelnen Songsist „The Darkness In Me“ insgesamt eine sehr abwechslungsreiche Geschichte. Ohne den (roten) Faden zu verlieren bekommt man beispielsweise im verzerrten Bluesrocker „Dig“ ein paar musikalische Zitate á la Depeche Mode mit dazu. Des Weiteren schützen kleine produktionstechnische Feinheiten vor gelegentlich mit dem Genre verknüpfter Zuckrigkeit, wie der dezente Drone-Sound Teppich bei der sehnsuchtsvollen Ballade „Bonneville“. Dies alles macht „The Darkness In Me“ zu einem zeitlosen, modern produziertem Album mit starken Songs und Texten einer Sängerin mit aussergewöhnlicher Stimme mit Wiedererkennungswert. Ich würde mich wundern, sollte man nicht bald noch mehr von ihr hören.
Vorläufig verabschiedet sich Sally Grayson jedoch erstmal mit der sechseinhalbminütigen Hymne „The Golden Hour“, mit poetischen Worten und meditativen Sounds: „The day, oh the day / It slips so fast away / It’s time to say goodbye to the day / So come on out and stay / Come and see this magnificent exit on display.“ Dunkelschöner kann ein (hoffentlich nur vorläufiger) Abschied kaum sein.
„The Darkness In Me“ erscheint als Limited Edition in farbigem Splatter-Vinyl und auf Digipack-CD und verdient meiner Meinung nach jegliche Unterstützung. Die Kulturförderung Initiative Musik sah das ähnlich und veröffentlichte das wunderbare Werk auf ihrem Label.