Carlsen Comics / ISBN: 978-3-55179-362-1
Text: David Kilchoer
Wenn Reinhard Kleist Musikerbiographien zu Graphic Novels verarbeitet, tut er das immer mit einer These, einem Thema. Im Falle von David Bowie reicht ihm das nicht – deshalb will er dessen Lebensgeschichte in drei Teile, also drei Thesen und Themen splitten. Der erste Teil «Starman – David Bowie’s Ziggy Stardust Years» liegt nun vor.
Darin zieht Reinhard Kleist die Parallelen zwischen Bowies Aufstieg zum Star (durchaus im Wortsinne zu verstehen) und dem Selbstverständnis seines damaligen Alter Egos Ziggy Stardust (eben auch ein Sternenwesen). «Fünf Jahre!» lässt er seinen Protagonisten zu Beginn des Buches von der Bühne proklamieren. Fünf Jahre prophezeit Sternenmessias Stardust bis zum Ende der Welt. Doch in Wahrheit werden es fünf Jahre bis zum Ende seiner Existenz als Bowies Alter Ego sein – 1968 bis 1973 (wenngleich der zitierte Song natürlich erst im Jahr 1972 erschien – aber da nutzt Kleist seine künstlerische Freiheit).
Diesen fünf Jahren stellt Kleist diverse Seiten mit Rückblenden dazwischen. Ein bisschen Kindheit, Pubertät, erste Gehversuche im Musikbusiness – die Transformation von David Jones zu David Bowie, die erste Ehe, das erste Kind. Das ist alles hübsch verpackt, in Sepiatönen koloriert, wie man es von Rückblenden so kennt. Und geschickt eingebettet ins Leben auf der Bühne in voller Farbpracht.
Doch die Sepiatöne nutzt Reinhard Kleist nicht bloss für die Rückblenden, sondern für alles, was Bowie privat ist. Für die Gespräche hinter der Bühne, die Partys mit Iggy Pop und die Verhandlungen mit seinen Managern. Für die Besuche bei der Mutter und seine zärtlichen Aufeinandertreffen mit seinem Bruder. Die Farben gehören auf die Bühne.
David Bowie verändert sich aber. Er wird je länger desto mehr zu seiner Kunstfigur, seinem ausserirdischen Heilbringer auf der Bühne. Irgendwann weiss er nicht mehr, wer er in Wahrheit ist, nur was er will – und was er will verkörpert seine Kunstfigur. So verschmelzt er mehr und mehr mit ihr. David ist Ziggy. Kleist streut zur Veranschaulichung die Vierfarbigkeit in die Panels des privaten Bowies. David verschwindet, es gibt nur noch Ziggy.
Nur: Ziggy ist ein Hirngespinst, dem die Fans nur zu gerne nachfolgen. Doch all diese Dinge, die Ziggy verkörpert, sind nichtig, wenn die Figur es auch ist. Bowie spürt, wie aus seiner Pop-Fantasie eine gefährliche Blase entsteht, die er selber platzen lassen muss, wenn er nicht gemeinsam mit ihr platzen und nach fünf Jahren Erfolg in die Annalen der Rockgeschichte eingehen will.
Will er natürlich nicht. Und bringt Reinhard Kleist den ersten Teil seiner Bowie-Trilogie zu einem derart abrupten Ende wie der Superstar sein Leben als Ziggy damals 1973. Den schrillen Look lässt er in der Umkleide liegen und zieht mit neuem Style in sein zweites Leben, in Richtung Berlin.