Cross Cult / ISBN: 978-3-96658-650-4
Übersetzung: Anne Bergen
Text: David Kilchoer
Es ist Ende der 1940er-Jahre, als Leonard Cohen die Weichen stellt. «Mein akademisches Ziel:», sagt er, «Wein, Frauen und Songs». Der kanadische Graphic-Novel-Autor und -Zeichner Philippe Girard pointiert das Statement in seiner Comic-Biographie von Cohen mit dem Titel «Like a Bird on a Wire», indem er es aufs letzte Panel einer rechtsliegenden Seite setzt. Blättert man um, geht die Musikkarriere los. Und mit ihr das wilde Leben des Leonard Cohen.
Girard erzählt es mit einfachem Strich, flächiger Kolorierung, knappen Dialogen und hohem Tempo. Auf etwas mehr als 100 Seiten 82 Lebensjahre eines Mannes unterzubringen, der von Süchten zu illustren Beziehungen gerät, zwischen unterschiedlichsten Kunstformen und Religionen hin- und herspringt, Familie gründet, die Welt bereist und immer wieder mit dem Tod konfrontiert ist: ein anspruchsvolles Unterfangen.
Girard geht es geschickt an, indem er seine Version der Legende Cohens in Fragmente packt. In matt-depressiver Gleichgültigkeit zieht Cohen durch die Seiten, selten um einen zynischen Kommentar verlegen. Er treibt es mit Janis Joplin und Joni Mitchell, zecht Nächte durch mit Musikproduzent Phil Spector, bekommt einen Korb von Nico und Huldigungen von Lou Reed. Er wohnt in Montreal, London, New York, auf der griechischen Insel Hydras. Leonard Cohen ist ein suchendes, unruhiges Wesen, das seiner Rastlosigkeit mit äusserlich kultivierter Gleichgültigkeit und Coolness begegnet.
Diesen Kontrast bringt Zeichner Girard perfekt zu Papier. Die äussere Gleichgültigkeit schlägt sich in der klaren, übersichtlichen Seitenstruktur nieder – Panel für Panel. Sein einfacher, fast schon hölzerner Strich unterstreicht den Charakter der Seitengestaltung: Es gibt keine überzeichneten Bewegungen, keine Mimik oder gar effekthascherische Photoshop-Kolorierungen. Pro Fläche legt er eine Farbe, meist in Pastelltönen.
Demgegenüber steht das hohe Tempo. Girard flitzt mit grossen Sprüngen durch die Cohen-Jahre. Und er misst jedem Panel hohe Bedeutung zu, jedes treibt die grosse Lebensgeschichte aktiv voran. Sie erscheint durch diese Konzentration umso bunter; das Leben als Regenbogen aus den Farben kleiner Geschichten.
Girard gelingt es dabei allerdings nicht so richtig, seine Kernbotschaft zu vermitteln. Dieser Vogel auf der Leitung – «the bird on the wire» – soll für Cohen selber und sein Streben nach Freiheit, respektive das Auskosten dieser Freiheit stehen. Girard greift das Thema im Verlauf der Geschichte zwar zwei- oder dreimal auf, doch nicht nur führt er es reichlich spät ein, er versäumt es auch, es konsistent und glaubwürdig in die Lebensfragmente einzuflechten.
Vielleicht liegt dieses Scheitern auch in der Natur des Songs, der dem Buchtitel zu Grunde liegt und häufig fehlinterpretiert wird. Fragte man Cohen selber, geht es in «Bird on the Wire» keineswegs um Freiheit, sondern vielmehr um eine Frau, die zu erreichen er nicht in der Lage ist. Und während Cohen im Song eines seiner eingangs genannten akademischen Ziele verfehlt, widerfährt Autor Girard mit dem Ziel für seine Graphic Novel etwas Vergleichbares. Eine durchaus poetische Konklusion.
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