New Friends / VÖ: 20.8.2021 / Indie Folk, Indie Pop
orlagartland.com
Text: David Kilchoer
Orla Gartland beruft sich zwar auf Singer-Songwriter-Ikonen wie Joni Mitchell, Regina Spektor oder Imogen Heap. Doch was sie mit ihrem Debüt-Album «Woman On The Internet» vorlegt, ist so eigenständig, wie es Debüt-Alben nur selten sind.
Auf den ersten Blick mag das überraschen, ist die Irin doch dank Youtube mit ihren Cover-Versionen von Fleetwood Mac bis Pulp bekannt geworden. Wie soll man ein eigenes Songwriting-Profil finden, wenn man ständig anderer Künstler Material spielt? Orla Gartland erbringt den Beweis, dass das möglich ist. Gartland hat sich mit einem breiten Sound-Spektrum aus Brit-Rock, Elektropop, New Wave oder Indie Folk auseinandergesetzt. Das wirkt sich positiv auf ihre Eigenständigkeit aus.
Ein perfektes Beispiel dafür ist «Zombie!». Da sind Groove und Harmonien, die einer Eurythmics- oder Blondie-Komposition entspringen könnten. Dazwischen die immer wieder fein eingeflochtenen, geschlagenen akustisch-folkigen Gitarren. Kurz vor Schluss donnert der bereits treibende Refrain in einen lärmig-verzerrten Instrumental-Part, der aus der Wettkampfzeit von Oasis versus Blur stammen könnte. Das klingt nach Klangchaos, kommt aber als stringent arrangiertes Gesamtwerk mit logischem Aufbau und nachvollziehbarem roten Faden daher.
Ähnlich zeichnet sich Gartland auch aus instrumentaler Sicht aus. Sie bereitet ihre Musik mit einem feinen Gespür für die richtige Dosierung der einzelnen Zutaten zu. Der Opener «Things That I’ve Learned» ist ein weiteres solches Beispiel: Der perkussive Start klingt, als hätte Garland ihn mit Besteck auf Pfannen eingetrommelt. Auf die zweite Strophe hin taucht ein langsam vibrierendes Knisterpad auf, verschwindet wieder; im Refrain blitzen plötzlich ein paar Noten Piano auf. Der Küchenbeat weicht einem identisch geschlagenen Elektro-Drum-Pad, das Klavier einer Basslinie. Eine E-Gitarre und dann eine zweite gesellen sich hinzu. Die vielen Elemente verfliessen elegant, lösen sich fast unbemerkbar ab.
Der instrumentale und stilistische Wildwuchs ist aber kein Selbstzweck; Orla Gartland kann auch anders. Wo es der Song fordert, ist sie sehr wohl bereit, eine konsequente Reduktion aufs Minimum vorzunehmen. «Madison» kommt über nahezu die gesamte Laufzeit mit kaum mehr als einer akustischen Gitarre und ihrer Stimme aus. Und «Left Behind» ist praktisch eine reine Piano-Ballade, in der die Sängerin die Geschichte einer Trennung erzählt. Dank des minimalistischen Klangteppichs kommen die kleinen Piano-Noten zum Tragen – und können wie Tränen aus dem Song hinaustropfen.
Gartlands Debüt zeigt: Die einstige Cover-Spezialistin ist bereit, ihr eigenes Oeuvre in die Welt zu tragen. «Woman On The Internet» ist ein eindrücklicher Startschuss.