5. Februar 2020
Diverse Lokale – Baden
Bands: Ryley Walker / ILA / Melissa Kassab
Webseite: ooam.ch
Wäre es wirklich Winter, wie es sein sollte, dann wären die Gedanken an weite Steppen und alleinige Revolverhelden sehr abwegig gewesen. Frieren musste an diesem Mittwochabend in Baden aber bestimmt niemand, vor allem nicht in den Konzertlokalitäten. Und wenn doch: Das One Of A Million Festival bot Musik, die sich thematisch während drei Darbietungen wunderbar verbinden liess. Vorhang auf für die Sehnsucht des wilden Westens, des Americana.
Aus dem fernen Genf kam Melissa Kassab angereist, welche zum ersten Mal auf der Bühne durch Lorraine Dinkel von der Band East Sister unterstützt wurde. Zu zweit liessen sie die Singer-Songwriter-Kunst des Countrys aufleben, immer sanft und mit einem verlegenen Lächeln auf den Lippen. Gitarren, Bass und oft zweistimmiger Gesang, diese Musikerinnen verzauberten Steppenläufer in Wattebäuschchen, als Leitfaden dienten die Lieder des neuen Albums „Rodeo“.
„You“ durfte seine Existenz im Telefon zu einem kurzen Glanzmoment im E-Punkt ausweiten, „Baby“ liess Harmonien durch die Lüfte gleiten. Lo-Fi-Folk auf amerikanische Art, ohne überhebliche Weise gespielt, das verband sich nicht nur mit einem Bruce-Springsteen-Cover ohne Mühe. Das Publikum hatte Freude an diesem Auftritt, wenn auch gewisse Stellen etwas zu lieblich und zart waren.
Düstere Wolken und Staubwirbel wehte es einem nicht ausserhalb der Stanzerei, sondern im Innenraum entgegen. ILA aus Belgien brachten dunkle Ahnungen und brodelnde Stimmungen in den Abend rein. Die Musikerin Ilayda Cicek und ihre zwei Begleiter Cas Kinnaer und Sam Smeets liessen das Publikum in eine ungeschminkte Welt voller schattiertem Alternative Rock versinken. Mit der kernigen und rohen Stimme immer ehrlich und in den richtigen Momenten zärtlich, mit den Instrumenten teilweise eruptiv laut. Schade nur, hielten diese dröhnenden Momente zu wenig lange an.
Dafür gab es als Zugabe eine zweite Darbietung von „Twenty-Two“, eine Notlösung wegen zu wenigen Songs zwar, aber erneut ein wunderbarer Hinweis auf andere Bands wie Scratches. Viel mehr Sonnenuntergang und Ice-Tea auf der Veranda bot Ryley Walker alleinig auf der grossen Bühne der Druckerei. Mit seiner Westerngitarre, einem hipsterigen Kleidungsstil und Kauftabak führte er die Besucher*innen in die Welt der Saitenzauberei ein. Mal leicht psychedelisch, dann wieder schnell und unglaublich fingerfertig – dieser junge Musiker ist wahrlich talentiert.
Mit ausdrucksstarken Jauchzern, genuschelten Worden und einigen kuriosen Ansprachen bewies er sein Talent, seine Gabe, die Leute zu bezirzen. Und wer sich in dem Klang dieser Gitarrenart und den gezupften Erzählungen verlieren konnte, der erlebte hier wahrlich ein Highlight – meilenweit von New York, einem Trailerpark oder der alten Ranch entfernt.
Text: Michael Bohli