ATO Records / VÖ: 04. März 2022 / Indie, Pop
niluferyanya.com
Text: Michael Messerli
Jedes Jahr durchlaufen wir verlässlich die vier Jahreszeiten. Selber aber stehen wir dabei oft an einem anderen Punkt. So beschreibt Nilüfer Yanya ihre Gedanken zum Song «The Dealer» und man könnte die Idee weiterspinnen, ob wir das Leben an einer Spirale entlang gehen und wenn ja, wohin sie führt bzw. ob sie gar horizontal liegt. Das zweite Album der Londonerin schürft tief auf der Suche danach, etwas zu spüren: «There’s nothing out there/ For you and me/ I’m going nowhere». Spiralen drehen sich auch im Kreis und mit trauriger Stimme reflektiert Nilüfer Yanya den Ort, am dem sie gerade steht. Es ist bei der Veröffentlichung von «Painless» Frühling, klingen tut es aber eher nach Winter.
Den Albumtitel könnte man unter anderem so interpretieren, dass man auch dann schmerzfrei bleibt, wenn man gar nichts mehr spürt. Vermeidung, Verdrängung und Betäubung sind schlechte Bekannte und so bleibt nur die Flucht nach vorne. Diese gelingt Nilüfer Yanya musikalisch hervorragend. Ihr zweites Album schärft ihr Profil als Songwriterin, ist mehr Indie-Rock als Pop, dabei fokussierter und weniger bunt als das Debüt. Dennoch ist «Painless» sehr gekonnt in die Breite arrangiert, nur eben mit den sich ergänzenden Blautönen. Unweigerlich kommt die Erinnerung an das letzte Album von Soccer Mommy auf. «Painless» hat aber die grössere Hitdichte: «Stabilise», «Midnight Sun» und «Shameless» überzeugen sofort. Das minimalistisch pluckernde «Trouble» erreicht seine maximale Wirkung mit der Zeit.
So gerät es zu einem gewissen Konsensalbum, wenn auch sicher im engeren Sinne, da Indie, Pop und Electronica selten miteinander fremdeln. Dass diese zehn Songs sowohl auf Tanzflächen, im Radio wie auch auf Kopfhörern für den nachdenklichen Spaziergang funktionieren, dafür braucht es aber schon entschieden mehr als Kalkül. «Whatever Makes You Happy», singt Nilüfer Yanya in «L/R». Das ist die Frage. Sie beantwortet sie mit Inspiration anstelle von Resignation.