Goliath Records / VÖ: 25. Februar 2021 / Alternative, Folk
nickcave.com
Text: Michael Bohli
„The sun, a barefoot child with fire in his hair / And then a sudden sun explodes! / It was you, it was you and only you / And it’s only love / Driving through the rain“ – das Herz blutet, die Augen tränen. Nick Cave reicht mit seiner Gotteshand vom Musikerolymp herunter und bringt uns das beste Album, das jemals in einer Pandemie entstehen kann. Gemeinsam mit Warren Ellis hat er während mehreren Wochen und schlussendlich ziemlich spontan die Lieder geschrieben. Ein kreatives Gemetzel, laut Ellis, allerdings eines ohne blutrünstigen Ausgang. „Carnage“ heilt Wunden.
„A protester kneels on the neck of a statue / The statue says I can’t breathe / The protester says now you know how it feels / And kicks it into the sea“ – aktuell und persönlich, universal und intim. „Carnage“ vereint diese unvergleichliche Vielseitigkeit, welche Nick Cave in seinen Texten immer wieder auf perfekte Weise unterzubringen vermag. Dazu gesellen sich die umwerfenden Klänge von Warren Ellis, der sakrale Sounds auf brutale Gewalt treffen lässt. Streicher und Drones, das Piano als Gesang und jaulende, verrauschte Klänge als Urschrei der Menschheit („White Elephant“). Diese Scheibe ist lauter als ihre gemeinsamen Soundtracks (wie etwa „Wind River„), strukturell ähnlich wie „Ghosteen„.
„As I put on my lap dancing shoes / In the morning sun / And this morning is amazing and so are you“ – Liebe und Hoffnung werden nie sterben, egal wie schwarz die Stunden aussehen. Das beweist Nick Cave mit seinen Worten, Warren Ellis mit seinen Melodien. Den Texten folgend, sind die Lieder improvisiert geformt worden, „Carnage“ ist eine lange Erzählung, unterteilt in acht Kapiteln und Atmosphären. Das schwebende „Shattered Ground“, das pochende „Hand of God“, der herzzerreisende Titelsong: Perlen, aktuelle Betrachtungen, ein Stoss durch die Einsamkeit. Für uns alle, als Kollektiv, als Menschheit.