ear Music / VÖ: 26. Januar 2024 / Indie-Rock
newmodelarmy.org
Text: Torsten Sarfert
New Model Army stehen seit mehr als 40 Jahren wie ein Fels in der Brandung. Wie es der Titel ihres nunmehr 16. Studio-Longplayers herausstellt noch dazu „Unbroken“. Dementsprechend geht es mit gewohnt intensiv vorgetragenen, sozialkritischen und selbstreflexiven Texten, harten Gitarren, einem knochentrockenen Bass und unerbittlichen Drumbeats hart und direkt nach vorn. Aufdrehen und aufstehen (in jeglicher Hinsicht!) ist hier Pflicht.
Was bei altgedienten Künstler:innen zuweilen in ewiger Reproduktion und Beliebigkeit endet, klingt bei Sänger Justin Sullivan und seiner New Model Army produktionstechnisch erstaunlich frisch und modern. Dies ist sicherlich – abgesehen vom kompakten Zusammenspiel der mittlerweile auf vier Mitglieder geschrumpften Band – auch zu grossen Teilen der Arbeit des renommierten Mixers Tchad Blake geschuldet, der u.a. schon für seine Zusammenarbeit mit den Black Keys zwei Grammys einheimste. Glücklicherweise hatte man offensichtlich nicht den Anspruch, musikalisch das Rad neu zu erfinden. Den Anspruch letzteres klanglich ordentlich aufzutunen und für jeden Weg (und auch jeden Strom!) fit zu machen, jedoch schon. Dies ist vollumfänglich gelungen und freut nicht nur die Fans der ersten Stunde, die über die Jahre hauptsächlich wegen der extrem intensiven Konzerterlebnisse zu einer beachtlichen, globalen Follower-Gemeinde angewachsen sind. Auch via Algorithmen rekrutierte NMA-Noviz:innen sollten bei dieser knackigen Produktion eine Vorstellung bekommen, was da später live so alles abgerufen werden wird. Vielleicht trug auch die Mix- & Mastering-Erfahrung des 2005er Albums „Carnival“ ihr übriges zur tieferen Auseinandersetzung mit produktionstechnischen Fragen bei. „Carnival“ wurde 2020 in einer Redux-Version wiederveröffentlicht, um dem Album laut Band „a wholly new listening experience“ zu geben. Dies trifft – im Vergleich zu vielen älteren Alben – hier durchaus auch zu.
Dass New Model Army auch textlich immer am Puls der Zeit sind, lässt sich besonders eindrucksvoll bei „I Did Nothing Wrong“ nachhören. Grundlage des Songs ist der britische Post- und Justizskandal, der hunderte Postfilialbesitzer:innen in den finanziellen Ruin und teilweise in den Suizid trieb und gerade neu aufgerollt wird.
Auch der Song „Language“ hat (traurige) Aktualität und spielt auf subtile Art und Weise mit dem gesamtgesellschaftlichen Auseinanderdriften und der Bedeutung von Sprache in diesem Zusammenhang. Im kontemplativen „First Summer After“ beschäftigt sich Sullivan – ebenfalls hochaktuell – mit der permanenten Existenz von Konflikten und der (Un-)Möglichkeit, ihnen zu begegnen.
New Model Army haben mit „Unbroken“ ein weiteres Mal ihren Status als eine der relevantesten, unabhängigen Bands unserer Zeit zementiert und sich gleichzeitig soundtechnisch einen frischen, modernen Anstrich gegeben. Nicht nur das sollte allen alten (und neu dazu gewonnenen) Fans Lust auf die anstehende „Unbroken“-Tour 2024 machen.