Autor: Moby
Titel: Porcelain
Verlag: Piper
ISBN: 978-3-492-05713-4
Webseite: moby.com
Moby liebt unsere Welt, und ich liebe Moby. Schon seit Jahren begleitet mich seine Musik in meinem Leben, durch schwierige und einfache Zeiten. Aber nicht nur klanglich begeistert mich der Mann, nein – auch seine Einstellungen zu komplexen Themen und die Ehrlichkeit seines Auftretens sind wunderbar sympathisch und erstrebenswert. Er schafft es, sperrige Dinge wie Religion, Ernährung, Politik und Ruhm unter einen Hut zu bringen – ohne sich dabei selber aus den Augen zu verlieren.
Doch nicht immer gelang ihm dieser Aktivismus so perfekt wie es heute den Anschein macht. In den 90er-Jahren war sein Leben ein schwieriger Spiessrutenlauf zwischen Raves, bröckelnden Beziehungen und dem Wunsch, endlich bekannt zu werden. Er lebte damals ohne Mittel und richtige Unterkunft – ein Obdachloser nach Wunsch. Mit „Porcelain“ lädt uns Moby nun ein, in die Anfänge seiner wundersamen Karriere einzutauchen und seine Gehversuche im Club, im heimischen „Studio“ und an fremden Partys zu beobachten. Das Buch hat dabei nicht nur eine grossartige Dramaturgie, sondern lädt dazu ein, die damalige Szene der elektronischen Musik neu zu erleben.
Der Musiker bleibt als Autor immer unglaublich ehrlich, selbstironisch und direkt. Er betrachtet seine wilden und auch schlimmen Jahre mit gesundem Abstand und einem herrlichen Humor. Geschickt verbindet er Fakten und Situationskomik zu einem spannenden Buch, das sich stark von langweiligen Ergüssen anderer Musiker unterscheidet. Sicherlich schocken gewisse Erkenntnisse – so verlor sich der Künstler nach der Veröffentlichung seines Debüts leider im Alkoholrausch, seine Mutter starb früh an Krebs, die Liebe lässt immer auf sich warten – alles in allem ist das Buch aber eine wunderbar vergnügliche Angelegenheit. Die Wortwahl und Art der Beschreibungen lässt einen schmunzeln oder sogar laut herauslachen, Moby offenbart hier ungeahnte Qualitäten als Wortdichter. Seine Ahnen hätten die wohlige Freude.
Biografien von Musikern gibt es unzählige, doch mit „Porcelain“ hat Moby etwas vorgelegt, das man nur selten antrifft – ein direktes und offenes Abbild einer Zeit, die viele andere Musiker wohl beschönigt vergessen würden. Aber nicht hier, denn Fehler und Fehlentscheidungen formen einen Menschen schliesslich zu dem, was er heute ist. Bei Moby ist es ganz klar eine faszinierende und starke Persönlichkeit voller interessanter Ansichten und Gedanken. Nicht immer ohne Widerspruch, nicht immer ganz korrekt – darin aber umso menschlicher und besser identifizierbar. Schade endet das Buch kurz vor der Fertigstellung seines dritten Albums „Play“, doch vielleicht folgt bald eine Fortsetzung. Jetzt aber auf zum nächsten Rave!
Text: Michael Bohli