Duchess Box Records / VÖ: 9. September 2022 / New Wave, Indie, Disco
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Text: David Kilchoer
Minimal Schlager – zwei Menschen aus Berlin benennen ihr Duo gleich auch als neues Genre. Zumindest auf den ersten Blick. Fragt sich, was man erwartet, wenn man sich ein Minimal-Schlager-Album wie «Love, Sex and Dreams» anhören will.
Minimal Schlager, das Genre, würde wohl einfache, treibende Beats bedeuten – etwa mittig zwischen Modern Talking und Moby. Dazu reduzierte Arrangements, die Stimme ganz vorn, mit etwas Glitzer aber nicht zu stark aufgezuckert. Natürlich deutsche Texte mit weniger Cringe-Faktor als Beatrice Egli und mehr als Annett Louisan, leichte Wehmut, immer ins Schöne gedreht. Könnte was werden – ein Brückenschlag zwischen Oktoberfestschunklern und radiofreundlichen Halbintellektuellen oder so.
Minimal Schlager, das Duo, ist dann aber was ganz anderes – beginnend bei der englischen Sprache. Sängerin Alicia Macanás haucht die metaphorisch geladenen Lyrics mal ins Ohr wie es Jane Birkin an der Seite von Serge Gainsbourg tat («Euphoria»). Mal säuselt sie mit einer durchdringenden Klarheit, wie man sie aus der Indie-Szene von Wolf Alice oder Julia Holter kennt («Rush). Dann lässt sie sich aber auch in den dickflüssigen Essenzen des Shoegaze versenken («Nana del caballo grande»).
Was das Soundgefüge anbelangt, ist Minimal Schlager rasch erzählt. Fett aufgeschichtete Synth-Patterns von Multiinstrumentalist und Produzent Fran Parisi referenzieren New Wave der 80er à la Depeche Mode oder Pet Shop Boys, fast schon aufdringlich simplifizierte Drum-Maschinen zelebrieren dazu Italo-Disco-Gefühle aus selber Zeit.
In der Einfachheit des Soundkonzept steckt zugleich dessen Reiz – und wohl auch die einzige hauchdünne Verbindung zum genrebezogenen Namen des Duos. Minimal Schlager nutzt einfache Mittel für seine Zwecke. Viel mehr als ein schlaues Keyboard mit Drum-Maschine und ein Mikrofon brauchts nicht.
Doch dann ist auch schon fertig mit Schlager. Was das Duo stimmlich an Sinnlichkeit und lyrisch an poetischem Gehalt hinbringt, bewegt sich eher auf dem geistigen Niveau von britischen Elektro-Legenden wie Massive Attack oder Faithless.
Und so mag man vielleicht enttäuscht sein, wenn man Minimal Schlager mit der Erwartung hört, minimalistische Schlagermusik kredenzt zu bekommen. Enttäuschend ist das Debütalbum von Minimal Schlager indes keineswegs. Man muss lediglich die Erwartungen dem Produkt anpassen – und vielleicht einen Schuss Affinität für die 80er Jahre mitbringen.