Band: Mary_anderson
Album: Mary_anderson
Genre: Folk / Funk
Label/Vertrieb: Coldkings
Veröffentlichung: 19. September 2014
Website: maryandersonmusic.com
Geschrieben: Dennis Bäsecke-Beltrametti
Das selbst-betitelte Konzept-Album von „Mary_anderson“, der Musiker Molly Reid und Florian Antille, erzählt die Geschichte eines weiblichen Roboters, designt die perfekte Frau zu sein, der sich selbstständig macht und ihre eigenen Wege geht.
Es erklingt eine erfrischend natürliche Stimme ohne viel elektronischen Firlefanz und schillernd bunte Musik. Ecken und Kanten, wie abgeschnittene Wortfetzen, die unabsichtlich wirken, hauchen dem Konzept-Album grosse Lebendigkeit ein. Die hohe musikalische Qualität der Songs sowie die Behutsamkeit in den Arrangements und in der Produktion lassen das Werk aber alles andere schluderig daherkommen. Im Gegenteil; gut gestylter Freak-Folk der Extraklasse!
Neben der grossartigen Stimme fällt vor allem das grosse Geschick bei Arrangements und Instrumentationen ins Ohr, das ungewöhnliche und kreative Ideen in Fülle offenbart.
Schon der „Prologue“ lädt mit einem Banjo, geschmeidigen Gitarren, treibendem Rhythmus und eingängiger Melodie auf eine vielversprechende Folk-Funk-Reise ein. Kurz darauf werden bluesig stampfende Maschinensounds und Zupfgitarren perfekt mit Call and Response-Vocals ergänzt und heisere Gitarren formen sich mit Folk-Gesang-Wolken zum Refrain von „In The Canaanite Lands“. Auf dem “Main Square“ wagt die bewegliche Stimme von Molly Reid den Tanz mit dem Teufel im Unisono mit der E-Gitarre.
Im „Colourful Country“ schmiegen sich samtige Klarinetten über ein Destillat aus Rumba und Marsch-Rhythmen und die gezupften Arpeggien lassen Folk-Stimmung aufkommen. “1955“ schwebt dann als eine surreale Traumsequenz um mehrdeutig changierende Akkorde, während ein Glöckchen einen silbernen Pedal-Ton an die Decke zaubert. Auch die Bläser-Klänge sind wieder dabei – diesmal sogar mit Multiphonic-Sound, der den fremdartigen Charakter des Stückes unterstützt.
Genau im Zenit des vielfarbigen Albums findet sich das rotzfrech verzerrte Kinderlied „Poum Poum Poum“, das stark an Pippi Langstrumpf mit starkem Punk-Einschlag erinnert. Ganz unvermittelt werden wir dann mit „Punch Drunk“ in einen Jazz-Funk-Groove geschleudert und zum ersten und einzigen Male hören wir eine männliche Stimme, die sonor mit Molly Reid in einen Dialog tritt.
Der „Aftershock“ ist eine wunderbare Ballade, die ich als urban verträumte Regenmusik bezeichnen möchte. Die sanften Echos der Gitarren-Töne tropfen an eine akustische Fensterscheibe, während Bass und Schlagzeug den Song mit einer beruhigend stabilen Bewegung durch die Nacht tragen. Molly Reids melancholische Melodie-Fäden spinnen sich wie lose Gedankengänge hinaus ins Dunkel.
Nach dem frivolen „Electra“ wird das Album schliesslich durch die verstörend selbstzerstörerische Ballade „Babylon“ abgerundet, die einmal mehr für Gänsehaut sorgt. Mit Zeilen wie „The Knife Is In My Skin“ verschwindet die Musik zunächst in der Stille um dann noch einen ganz kurzen E-Piano-Epilog anzuschliessen. Da kann man die Gedanken die Geschichte weiterschreiben lassen.
Hut ab! Ein unglaublich starkes Album, das die Spannung und Qualität von der ersten bis zur letzten Sekunde auf Höchstniveau hält.
Tracklist:
1. Prologue
2. In The Canaanite Lands
3. Main Square
4. The Colourful Country
5. 1955
6. Poum Poum Poum
7. Punch Drunk
8. Take It As It Comes
9. Aftershock
10. Electra
11. Babylon
Bandmitglieder:
Molly Reid
Florian Antille
Gründung:
2014