Autor: Marilyn Manson und Neil Strauss
Titel: The Long Hard Road Out Of Hell
Verlag: Hannibal
Geschrieben von: Nicole Imhof
Nachdem ich mir bereits die Biographie über Marilyn Manson von Gavin Baddeley, Marilyn Manson: Seziert, zu Gemüte geführt hatte (siehe Rezension) und das Phänomen „Marilyn Manson“ weiterhin eine unbestrittene Faszination bereit hält, kam ich nicht um die vorliegende Autobiographie herum. Schon rein optisch und von der Aufmachung her ist dieses Buch ein Hingucker. Zwischen den gut 350 Seiten an Text sind immer wieder Fotografien, teils verstörend, teils künstlerisch oder einfach nur kaputt, zu sehen. Das macht natürlich neugierig auf den Inhalt, Mansons persönlichen Erzählungen über seine Kindheit, sowie die Verwandlung vom Brian Warner zur Figur Marilyn Manson.
Das Buch liest sich sehr flüssig, wird jedoch zeitweise mehr als nur derb, teilweise eklig und stösst bei mir auf Unverständnis, was Drogenkonsum und menschenverachtendes Verhalten anbelangt. Insofern verwundert es mich, dass nicht ein riesiger „parental advisory – explicit content“ Kleber auf dem Einband prangt. 😉 Aber anscheinend scheinen die Instanzen, welche bei musikalischen Inhalten sofort nach Gotteslästerung und Kinderschädigend schreien, keine Bücherwürmer zu sein. Besser so.
„The Long Hard Road Out Of Hell” ist eigentlich schon mächtig in die Jahre gekommen. Ursprünglich 1998 auf den Markt gekommen, ist meine Version davon bereits die 10. Ausgabe mit Ergänzungen, welche ebenfalls nur bis 2006 reichen. So fangen die Erzählungen des jungen Brian Warners irgendwo in seiner Kindheit an und Enden mit der Veröffentlichung des zweiten Manson Albums „Antichrist Superstar“.
Nichts desto trotz ist diese Autobiographie auch heute noch sehr unterhaltsam und aufschlussreich. Der Leser erfährt hier hautnah, wie sich die Metamorphose vom schüchternen Jungen zum Rockstar, vollzogen hatte und welche abstrusen Gehirnwindungen für welche Schandtaten dazu führten, dass Manson zum gehassten Schockrocker wurde. Gut, mein ausgeprägtes kritisches Gen ist sehr zurückhaltend und denkt nicht daran, alles für bare Münze zu nehmen, nur weil es schwarz auf weiss steht. Und auch der Umstand, dass Manson diese „Enthüllungen“ zu Buche getragen hat, damit ein für alle Mal alles Schockierende über seine Person mit einem Wisch auf den Tisch gebracht werden konnte, verbessert mein Gefühl über Wahrheit und Dichtung nicht sonderlich. Anscheinend in der Absicht, dass danach alle Fragen um seine sexuellen oder religiösen Neigungen abgehakt und sich die Leute anfangen würden, sich ausschliesslich für seine Kunst zu interessieren, sei dieses Werk entstanden. Nun denn.
Wie gesagt, mit Brian Warner und seinen „traumatischen“ Erlebnissen in der Kindheit fängt die Erzählung an. Der junge Warner und seine ersten Erfahrungen mit dem weiblichen Geschlecht, hinterliessen bei ihm keinen guten, dafür bleibenden Eindruck. Mit einer Abfuhr oder Trennung tut er sich grundsätzlich schwer und behält sich gleich das Recht vor, diese Damen auf Lebzeiten für sein „Trauma“ als Übeltäterinnen zu beschuldigen, könnte man fast den Eindruck gewinnen. Und auch sonst wirken seine Kindheitsprobleme nicht übermässig absonderlich oder tragisch, wie er zu einem späteren Zeitpunkt in seinem Leben selber einsehen wird.
Und so wächst er in einer christlichen Umgebung auf und fängt bereits früh an, an Religion und der Interpretation der Bibel und allem drum herum zu zweifeln. Über sein späteres Zusammentreffen mit Anton LaVey (Church Of Satan) erfährt man nur eine kurze Episode, jedoch keinerlei weiteren Hintergründe. Eigene Meinungen von Manson über Satanismus oder seine Position in dieser Gruppe werden ebenfalls nicht erwähnt. Überhaupt werden alle Themen vielfach nur gestreift und möglichst skandalträchtig und „schockierend“ beschrieben, jedoch fehlt es am Tiefgang.
Während der Leser weiter in das Leben des Marilyn Mansons vordringt und von den ersten Auftritten, Backstage- und Drogen-Exzessen erfährt, läuft die Geschichte mehr und mehr wie ein Film ab, den man von aussen betrachtet ansehen kann. Ausführliche Berichte über Fans und deren Bereitwilligkeit zur Erniedrigung folgen und grenzen an den guten Geschmack. Was anfänglich interessant war, wird zeitweise sehr verkorkst und müssig. Es scheint mir fast, als lege Manson möglichst viel Wert darauf, alle erdenklichen Ekel- und Boshaftigkeiten aufzulisten, nur um seinem Ruf als Schocker Nummer 1 von Amerika, gerecht zu werden und den Lesern (und Kritikern) zu geben, was sie wollen.
Doch der letzte Teil der Biographie entschädigt schliesslich wieder für die unzähligen Seiten verstörender Lesekost. Denn zum Schluss, wie schön, bringt es Marilyn Manson auf den Punkt, was er eigentlich sagen wollte und die Besinnung auf das eigentliche, seine Musik, bringt ihn aus der destruktiven Phase seines Lebens heraus. Auf den letzten Seiten finden sich dann Sätze wie: „Schwäche hatte sich in Stärke verwandelt, aus Hässlichkeit war Schönheit geworden, und die Apathie, die ich gegenüber der Welt um mich herum empfand, war in das Verlangen umgeschlagen, diese Welt zu erretten. Ich war ein lebendes Paradoxon.“ (Seite 304). Oder: „Ich hatte einfach nur zu unterscheiden gelernt, worüber es sich wirklich nachzudenken lohnte.“ (Seite 305) Das klingt wieder nach dem Manson, von dem ich mir ein Bild gemacht hatte und der mit seiner intellektuellen Art und Kunst mehr zu bieten hat als Plattitüden.
Erscheinungs-Datum: 10. Überarbeitete und ergänzte Auflage 2007 (Erstausgabe: 1998)
Format: Hardcover, 355 Seiten
ISBN: 3-85445-182-2