Autor: Baddeley Gavin
Titel: Marilyn Manson – Seziert
Verlag: Ubooks
Geschrieben von: Nicole Imhof
Kann man eine Biographie wie einen Roman von der ersten Seite an bis nach hinten durchlesen? Oder ist dies etwas, um darin zu schmökern und nachzulesen? Ich war mir da nicht so sicher, wie ich dieses Buch angehen soll, deshalb habe ich ganz einfach, wie sonst auch, mit Seite Eins begonnen. Und siehe da, es liest sich wirklich wie eine Geschichte mit Anfang und Ende, wobei das Ende logischerweise nicht der Schluss der Geschichte oder des Leben Mansons ist. Von diesem Buch als reine Biographie über Marilyn Manson zu sprechen, ist meines Erachtens – und ich habe es wirklich durchgelesen – falsch. Hauptsächlich erfährt man in „Seziert“ sehr viel über Religion, überwiegend Satanismus, Horrorfilme und „schlechte“ Einflüsse von Rock-Musik und Medien auf die Gesellschaft, sowie Drogen, Sex und allem, was zum Kult eines Schock-Rockers dazu gehört.
Marilyn Manson gerät, mit Ausnahme des letzten Kapitels und einigen dazwischen geschobenen Hintergrundinformationen über die einzelnen Marilyn Manson-Alben, zeitweilen eher in den Hintergrund. Man erfährt in „Seziert“ dafür sehr viel über das Leben des Charles Manson, dem Antichristen des 19. Jahrhunderts „dem grossen Tier“ Aleister Crowley, Anton LaVey – Gründer der Church Of Satan, Trent Reznor, David Bowie, Iggy Pop, David Lynch u.v.a. All diese Menschen hatten angeblich grossen Einfluss auf den jungen Brian Warner und ihn mit zu dem gemacht, was er heute ist, Marilyn Manson, eine Kunstfigur, die sich ständig neu erfindet und immer wieder aufs Neue provoziert.
Der Autor, Gavin Baddeley , hat bereits mehrere Bücher über Satanismus, die Musik-Szene und Gothic geschrieben und wird als Experte für Okkultismus in Fernsehsendungen hinzu gezogen. Und wie Marilyn Manson seit 1994, ist auch Baddeley seit 1995 Reverend der Church Of Satan. Demnach verwundert es nicht, dass „Seziert“ schon fast sowas wie eine ausführliche Dokumentation über Satanismus und eine Studie über die Psychologie von Serienmördern und ähnlichen zerstörerischen Individuen daher kommt. Baddeley kennt dieses Thema wirklich in- und auswendig, so dass sich die Erzählungen und Auflistungen von Ereignissen nicht nach mühsam zusammen gestellter Recherche, denn als angeeignetem, grundiertem Wissen liest.
Und obwohl ich zeitweise fast an eine Werbekampagne für Satanismus und die positiven Seiten dieser „nicht“ Religion denke, ist dieses Buch trotzdem sehr interessant, spannend und lesenswert zugleich (es ist einfach zu hoffen, dass die Leser dieses Buches genügend Verstand besitzen, um nicht alles, was schwarz auf weiss geschrieben steht, auch für bare Münze zu nehmen, genauso wenig wie all den Schrott, der via Fernsehmonitore weltweit auf die Menschheit gelassen wird).
Bislang habe ich mich zugegebenermassen nicht mit den eingangs erwähnten Figuren auseinander gesetzt und das Bild von Charles Manson ist auch in meinem Kopf nichts weiteres, als ein Schreckgespenst der amerikanischen Geschichte als Serienmörder. Dass Charles Manson und seine Hippie-Familie „the family“ gleichzeitig den Untergang der Hippie-Ära eingeläutet haben, war mir bis dato unbekannt. Woodstock und der oberflächliche Hippie-Kult genauso. Als in den 70ern geborene, bin ich zwar selber mit Blumenmustern und Schlaghosen aufgewachsen, was für mich aber in diesem Alter noch ziemlich belanglos war. Psychopaten und andere „Monster“ werden normalerweise nur von ihrer schlechten Seite gezeigt. Gavin Baddeley versucht hier nun, den Blick hinter die Fassade zu riskieren und einen Zusammenhang zwischen all dem Bösen und Okkulten, mit der Figur Marilyn Manson zu ziehen, der selber gerne mit Symbolen und Zeichen spielt.
Angefangen hat alles bereits mit der Namensgebung der einzelnen Bandmitglieder. Jedes Bandmitglied wählte für sich einen Namen, der sich aus dem Vornamen eines weiblichen Sexsymbols, der das Gute und Schöne symbolisieren und dem Nachnamen eines berüchtigten männlichen Mörders, der das Böse und Schlechte verkörpern sollte, zusammen setzte. Mit Marilyn Monroe und Charles Manson hat der Kopf der Band Marilyn Manson sicherlich die extremsten und dominantesten Figuren der amerikanischen Geschichte ausgewählt. Gavin Baddeley geht jedoch in „Seziert“ nur kurz auf die Figur des Guten ein und befasst sich lieber mit der bösen Seite der Menschheit. So wird das Thema „Marilyn Monroe“ nur einmal kurz tangiert und danach wieder begraben.
Dafür erfährt man einiges über die Entwicklung von Marilyn Manson vom Antichrist Superstar zum Mechanical Animal und zur Verwandlung in die Figur „Omega“ („.. Mansons Antwort auf Ziggy Stardust …“), über die Zeit, als Marilyn Manson sich „grösser als Jesus“ betitelt, bis hin zu seinem Image als Dandy der Neuzeit. Alles sehr interessante Geschichten und Ausführungen, die sich normalerweise nur harte Manson-Fans zu Gemüte führen. Nichts desto trotz sind diese Vergleiche und Zusammenhänge mit den oben erwähnten Personen sehr aufschlussreich und „sezieren“ den Menschen Marilyn Manson im wahrsten Sinne des Wortes. Was mir jedoch etwas fehlt und nur im letzten Kapitel darauf eingegangen wird, ist seine „normale“ Seite mit Gefühlen, Beziehungen und Alltag. Mansons Heirat mit der Burlesque-Ikone, Dita von Teese, muss dann auch als einziger Zeitpunkt im Lebenslauf des Brian Warner hierfür herhalten.
Was ich im weiteren erfahren habe, ist die Auseinandersetzung zwischen Nine Inch Nails Mastermind Trent Reznor und seinem Zögling Marilyn Manson. Obwohl ich schon seit Jahren auf die Musik von NIN stehe, bin ich niemand, der sich über das Privatleben der Musiker Gedanken macht oder dieses verfolgt. So ist mir bis dato entgangen, dass Reznor Manson entdeckt und das zweite Album „Antichrist Superstar“ produziert hatte. Danach stand ein jahrelanger Streit zwischen den beiden, der an einem Konzert der NIN mit einem „spontanen“ (da zweifle ich halt wieder an der Spontaneität und glaube eher an einen wohlüberlegten Auftritt) Gastauftritt Mansons beiseite gelegt wurde. Während Reznor zu „Starfuckers, Inc.“ anspielte (“ … eine boshafte Salve gegen geistlose Künstler im Allgemeinen und gegen Manson im Besonderen …“) taucht plötzlich Manson auf der Bühne auf und stimmt in den Refrain mit ein.
Baddeley schreibt über Manson treffend: „… Manson geniesst sein Dasein als Bösewicht und nährt damit die düsteren Gerüchte, die seine Gegner immer weiter wiederholen und aufbauschen werden. Ironischerweise werden sie dadurch zu den besten PR-Agenten, die er sich wünschen kann und lassen ihn wie einen verfolgten Sündenbock, sich selbst hingegen wie hysterische Lügner erscheinen. Dennoch fallen sie immer und immer wieder darauf herein“. Wahrscheinlich ist dies auch mit ein Bestandteil des Erfolges von Marilyn Manson, genauso wie schon bei Alice Cooper, KISS oder David Bowie, die alle durch auffälliges Verhalten und theatralischem zur Schau Stellung des „nicht-konform-seins“ zu Weltruhm gelangten. Dahinter steckt sicherlich auch viel Dummheit der Menschen, die sich nur allzu gerne an der Nase herum führen und provozieren lassen. Egal welches Thema oder welche Weltanschauung oder Religion, grundsätzlich ist doch alles, das fanatisch betrieben wird, ungesund und führt nur ins Verderben.
„Seziert“ beinhaltet einen grossen Querschnitt durch die letzten Epochen und Teile einer „dunklen“ Geschichte, immer im Zusammenhang mit Marilyn Manson, wenn auch manchmal sehr weit ausgeholt wird. An vielen Stellen wird darin auch aus der Autobiographie Mansons „The Long Hard Road Out Of Hell“ zitiert, das sicherlich einen noch intimeren Einblick in die Person Manson selber gibt. Wenn „The Long Hard Road Out Of Hell“ ein persönlicher Seelen-Striptease Mansons ist, dann ist „Seziert“ eine Zusammenfassung des Umfeldes und wie Manson auf die Öffentlichkeit wirkt und diese manchmal auch beeinflusst.
„Seziert“ hält so viele kleine Episoden aus der Rock- und Pop-Geschichte auf Lager, dass es schwer ist, hier eine vernünftige Zusammenfassung aufzuschreiben. Jeder, der gerne liest, keine Berührungsängste zu den erwähnten Themen und vor allem Interesse an Hintergrundinformationen hat, dem sei dieses Buch wirklich empfohlen. Der Titel „Marilyn Manson – Seziert“ soll auch alle nicht Manson-Fans nicht davor abschrecken, dieses Buch in die Hand zu nehmen, im Gegenteil. Man erfährt darin sehr viel mehr über Absurdes, Okkultes, Obszönes und Schockierendes, als nur über die Figur des Schock-Rockers und Staatsfeindes Nummer 1 von Amerika, Marilyn Manson, aber seit selber neugierig genug.
In der CH zu kaufen bei: www.kaktus.net
In D zu kaufen bei: www.ubooksshop.de
Erscheinungs-Datum: Juli 2009
Format: Taschenbuch, 280 Seiten mit rund 80, teils farbigen Bildern
ISBN: 978-3-86608-121-5