Band: Mammút
Album: Ride The Fire
Genre: Indie / Pop
Label: Karkari Records
VÖ: 23. Oktober 2020
Webseite: www.mammut.is
“Wir sind hier nicht in Seattle, Dirk“, sangen Tocotronic einst. Es ist aber nicht so, dass es seit dem Beginn der 90er keine anderen Epizentren innovativer Rockmusik mehr gegeben hätte. Die Aufmerksamkeit ist einfach gesunken. Da gab es unter anderem Glasgow, aktuell könnte man Melbourne dazu zählen und für eine Weile war es Island. Die Insel im hohen Norden, die eher für Vulkane als für Erdbeben bekannt ist. Sagenumwoben, mystisch und auch deswegen vom Tourismus überrollt. Die Landschaft dient perfekt für Filmproduktionen und die Kultur, sowie die Gesellschaft des Landes scheinen ein unvergleichlich guter Nährboden für Kreativität zu sein. Björk ebnete den musikalischen Weg, Sigur Rós machten ihn so breit, dass ihn weitere Bands befahren konnten. Mammút sind jedoch keine Trittbrettfahrer. Die bereits 2003 gegründete Band aus Reykjavík profitierte natürlich auch von der neuen Aufmerksamkeit, blieb aber bis heute ein eigenwilliger Geheimtipp. Und daran wird auch ihr fünftes Album “Ride The Fire“, das zweite in englischer Sprache, nichts ändern.
Live ist die Band fantastisch, die Theatralik der charismatischen Sängerin Katrína Mogensen ist dabei ein entscheidender Fakto. Aber interessanterweise funktionierten die Songs des Vorgängers „Kinder Versions“ auf der Bühne noch besser und zeigten eine Band auf hohem technischen Niveau, besonders was die Experimentierfreude betrifft. Sie hat eine Sogwirkung. Mammút kümmern sich nicht um Stile oder Genres, sie erzählen Geschichten. Eine gewisse Nähe zu Björk ist unüberhörbar, alleine schon wegen dem Gesang von Mogensen. Wer sich mit der Band vertraut machen möchte, sollte mit dem 2013er-Album „Komdu til mín svarta systir“ starten. Hier singt die Band noch in ihrer Muttersprache und haut mit „Salt“ einen unverwüstlich genialen Song raus. Später haben sie ihn für eine EP nochmals auf Englisch veröffentlicht. Die Hochphase des Island-Booms war damals schon etwas vorbei, viele isländische Bands passen sich mittlerweile popmusikalischen Konventionen an, was durchaus verständlich ist, wenn man bedenkt, wie viele Klischees es bezüglich Island mittlerweile gibt.
“Ride The Fire“ ist alles andere als ein konventionelles Popalbum und bedient auch keine Klischees. Es passt sehr in den Werdegang von Mammút, auch wenn es „nur“ ein gutes und nicht ihr bestes Album ist. Eine gewisse Ziellosigkeit ist der Band eigen, sie lässt sich offenbar sehr leicht inspirieren, diesmal von der Aussenwelt im Gegensatz zum emotionalen Innenleben. „Ride The Fire“ beschäftigt sich mit den verschiedenen Spielarten von Religion, Astrologie und Magie, schafft sich damit seine eigene Mythologie und macht die Band mehr zur Erzählerin als zur Schöpferin ihrer Songs. Diese scheinen ihr zu passieren oder zu ihr zu finden. Mammút fahren damit nicht auf bereits geebneten Wegen, sondern lassen sich die Richtung von der Inspiration vorgeben. Das hat nicht immer einen roten Faden, ist auf der anderen Seite aber sympathisch verspielt, unvoreingenommen und unbeeinflusst von dem, was andere davon halten mögen. Deshalb wird auch dieses Album live toll funktionieren und beinhaltet grossartige Songs wie „Still Like A Mountain“ oder „Sound Of Centuries“. Auf den grossen internationalen Durchbruch legen sie es vermutlich gar nicht erst an. Englisch hin oder her.
Tracklist:
1. Sun And Me
2. Solomon
3. Pow Pow
4. Birds
5. Prince
6. Forever On Your Mind
7. Still Like A Mountain
8. Fire
9. Frontline
10. Sound Of Centuries
Bandmitglieder:
Alexandra Baldursdóttir – Gitarre
Ása Dýradóttir – Bass
Katrína Mogensen – Gesang
Arnar Pétursson – Gitarre
Valgeir Skorri Vernharðsson – Schlagzeug
Gründung:
2003
Text: Michael Messerli