Irascible Records / VÖ: 19. Januar 2024 / Indie, Electro, Pop
www.lordkesseliandthedrums.com
Text: Michael Messerli
Lord Kesseli & the Drums vermengen die Stile und bringen sie so zusammen, dass es aufgeht und nicht etwa zu einem klumpigen Brei gerät. Ob man die einzelnen Zutaten tatsächlich noch herausschmeckt, hängt nicht nur von der Ausprägung des entsprechenden Sinns ab, sondern vielleicht auch davon, was man vorher gerade konsumiert hat. Es lohnt sich jedenfalls, sich den Zeitpunkt für die – Vorsicht, falsche Fährte – pseudosakrale Musik der St.Galler auszusuchen. Kleiner Tipp: Ein dunkler, kalter Januartag eignet sich ganz gut. Entweder früh morgens oder spät abends. Ihr habt die Wahl, Dominik Kesseli und Michael Gallusser haben die Songs.
Man kann natürlich einwerfen, dass «I Was In Love» durch den Mix nicht gerade eine grosse Kohärenz aufweist – wie bereits der Vorgänger «Melodies Of Immortality». Kontern kann man das damit, dass hier auch niemand Einheitsbrei anrührt. Die Frage ist also nicht, was das soll, die Frage ist, ob es gut ist. Die Antwort liefern beispielsweise der wunderschöne Titeltrack oder «Far Away», die sich dem Indiepop zuwenden, wo «Melodies Of Immortality» noch das Näschen gerümpft hätte. Vielleicht auch, um einen grösseren Spagat zum Noise von «It’s Not Ok» oder dem Electro-Punk von «I Wish» hinzukriegen, ohne dabei aber die ungefähre Richtung aus den Augen zu verlieren. Es ist kein verklärter Blick, keine romantische Dystopie. Wer mal in die Welt der Menschen verliebt war, kriegt hier das ungeschönte Update. Mit Zuckerschock.
«I Was In Love» klingt noch melancholischer und vor allem noch menschlicher als sein von Maschinen infiltrierter Vorgänger. Die elektronischen Elemente fehlen natürlich nicht, aber sie sind nicht die treibende Kraft. Die Energie kommt diesmal aus der Verzweiflung, mündet in Anklage und Protest. Es kommt einem kurz der Gedanke, ob das grösste Problem unserer Zeit wirklich die Multikrisen sind oder nicht vielmehr unser Umgang damit. Viele tun etwas. Zu viele tun nichts. Und so wird der Spagat auf «I Was In Love» zu einer weiteren Schere, die sich auftut und tief schneidet. Aber das muss es auch. Denn sonst bleibt nur noch Resignation. Deshalb an dieser Stelle nochmals der Hinweis: Man sollte den Zeitpunkt für diese Musik gut wählen. Und die richtige Zeit ist: jetzt.