Autor: Jeanette Leech
Titel: Fearless. The Making Of Post-Rock
Verlag: Jawbone
ISBN: 978-1-911-03615-9
VÖ: 15. Juni 2017
Webseite: Jeanette Leech auf Twitter
„Fearless. The Making of Post-Rock“ ist keine Entstehungsgeschichte, sondern ein Requiem, ein Rückblick und Abschluss. Das Buch endet nämlich genau an dem Punkt, an dem aus einer experimentellen und immerzu etwas unfassbaren Stilrichtung ein Produkt der Masse wurde, austauschbar und gleichförmig. Denn im Gegensatz zu der verbreiteten und journalistisch immer wiedergekauten Meinung, Post-Rock sei als Genre klar mit instrumentalen Stücken mit aufschwellenden Gitarren und langen Laufzeiten zu definieren, handelt es sich vielmehr um einen Abenteuerritt ohne Konventionen oder Sicherheitsnetze. Jeanette Leech tat also gut daran, ihr Buch „angstlos“ zu nennen – und liefert die Antwort, wieso „Kid A“ von Radiohead theoretisch mehr Post-Rock ist als „All Is Violent, All Is Bright“ von God Is An Astronaut.
Die Autorin, DJane und Musikhistorikerin hat mit diesem Sachbuch nämlich nicht nur versucht, mehrere Jahrzehnte Musikgeschichte komprimiert anhand vieler Interview- und Textpassagen zu rekonstruieren, sondern auch die Essenz von Post-Rock zu destillieren. Kein einfaches Unterfangen, ist doch bist heute schwierig zu erklären, was denn genau diese Rock-Unterart ausmacht. 1994 von Kritiker Simon Reynolds erschaffen, ist die Wortkreation vor allem ein Sammelbegriff für Bands und Künstler, die sich gegen die Regeln und die Kunst vor Konsum stellten. Dabei werden Einflüsse aus Dub, Electronica, Krautrock und Punk genauso zugelassen wie das Ignorieren einer Bandhirarchie und der Abbau des Ego.
Frühe Bands des Post-Rock waren weder weit bekannt noch wirklich gewillt, viele Konzerte zu geben. So tüfelten Bands wie Slint, Disco Inferno, Codeine oder Tortoise lieber tagelang an Klängen und Präsentation, als sich vor Leuten aufzuspielen und ihre Namen in die Welt zu tragen. Somit ist es interessant, dass Jeanette Leech in grosser Arbeit viele alte Zitate und Gespräche mit diesen Musikern zusammengetragen hat und man nun in „fearless.“ auf eine sehr informative Zeitreise gehen darf. Die Menge an Informationen und Namen machen zwar den Lesegenuss nicht immer leicht, oft verspürt man aber eine grosse Lust, die erwähnten Alben und Bands aufzustöbern und in aller Ruhe zu entdecken.
Somit ist „fearless.“ nicht unbedingt für alle Leser geeignet, wer sich aber detailliert mit der Stilrichtung Post-Rock und den prägenden Bands aus den Achtzigern und Neunzigern beschäftigen will, der findet hier viele Stunden voller Unterhaltung. Jeanette Leech schreibt angenehm, wechselt zu Beginn aber etwas willkürlich die Perspektive. Dies wird mit der Zeit stringenter und das Buch ist in thematisch geordnete Kapitel eingeteilt. Und um alles etwas fassbarer zu machen, sind zwei Bildstrecken inkludiert. Damit ist diese Veröffentlichung eine Feier für einen Begriff, der heute nur noch als Abklatsch existiert und vor allem eine Orientierungshilfe darstellt. Aber jetzt alle in die Plattenläden, die Diskografie von Talk Talk will gekauft werden.
Text: Michael Bohli