Midira Records / VÖ: 14. Januar 2022 / Ambient
bandcamp.com
Text: Michael Bohli
Die Frage, wo man die Grenzen zwischen Musik und Lärm ziehen soll, ist eine ungeklärte – und wird dies für alle Zeiten bleiben. Aber warum auch sollten Kategorien existieren, wenn man sich von Klängen umgarnen und wegtragen lassen kann. Lee Yi aus Spanien spielt mit diesen Stimmungen, sein neustes Album «Hayví» entwickelt sich von einem unscheinbaren Rauschen zu Noise-Fanfaren und ausgedehnten Ambient-Flächen. Ohne es zu merken, wird man emotional mitgerissen.
Nahe der Field-Recordings-Technik und ohne grosses Aufsehen zu erregen bewegt sich der Einstieg «Air Turbulences». Tonspuren kratzen aneinander, Melodien versuchen sich aus dem Dickicht herauszuwinden. In der Musik von Lee Yi steckt eine Wärme, trotz monochromer Darstellung und Verpackung – dafür passend als Kassette. Mit «Vertical Clouds» wird die Leinwand grösser, der Klang luftiger und die Synthesizerspuren erhabener. Kurz vor den unendlichen Weiten des Alls nimmt uns der Titeltrack zurück in Richtung Boden, man scheint Funkfrequenzen zu lauschen.
Wirklich beeindruckend ist das längere Stück «Variable Intensity Rain Gradient Aloft», das wie Musik von Siavash Amini wirkt. Solche Sounds sind perfekt für Tagträumereien, oder Beobachtungen aus dem Fenster. Kraft und Gewicht in den rauen Schichten, die halbstündige Reise mit Lee Yi ist eine sehr lohnende und «Hayví» bereichert die Ambient-Sammlung.