BlauBlau Records / VÖ: 24. April 2020 / Pop, Indie
kush-k.com
Text: Charles Grögli
Mit Lotophagi legen Kush K ein reichlich verspultes Album zwischen hymnischen Refrains und dreampoppigen Instrumentation vor. Trefflicher könnte der Albumtitel nicht sein. Handelt es doch bei den „Lotophagi“ um Lotosesser in Homers Odyssee – ein Inselvolk, durch die narkotische Wirkung der Lotos in einem Dämmerzustand lebend und eine Gefahr für Odysseus’ Reise darstellend.
“Wer nun die Honigsüße der Lotosfrüchte gekostet
Dieser dachte nicht mehr an Kundschaft oder an Heimkehr:
Sondern sie wollten stets in der Lotophagen Gesellschaft
Bleiben, und Lotos pflücken, und ihrer Heimat entsagen.”
Die gängige Interpretation der Lotophagi als hedonistisches faules Volk wird nun durch Kush K umgedeutet. So wird der Fokus auf die Wirkung gelegt und nicht etwa auf Odysseus’ brutaler Handlung:
“Aber ich zog mit Gewalt die Weinenden wieder ans Ufer
Warf sie unter die Bänke der Schiff‘, und band sie mit Seilen.”
Den träumerischen Klang der Wirkung finden Kush K unter der Fittiche von Domi Chansorn und Timo Keller in verspulten Synthies und einladenden Gesängen der bezirzenden Hauptlotosesserin Catia Lanfranchi (Synth, Orgel, Stimme). Diese schlängeln sich um die treibende Rhythmussektion. In „Forever Only“, dem Album-Opener, schwingt sich dieses Gebilde zu einem ekstatischen Refrain hinauf und endet in einem Nachhall, der den nächsten Morgen schon erahnen lässt. Der nächste Morgen bleibt jedoch fern, lädt „Long Time No See“ doch gerade zum Weiterschwelgen ein. Claves und Drums klingen nach Lateinamerika, ein träger Chor begleitet die, zwischen Feist und Angel Olsen klingende Catia Lanfranchi. Durch teils verwendete Lo/Fi-Aufnahmetechniken entsteht das Gefühl, mitten in den „Lotophagi“ zu sitzen und betört am Ritual teilzuhaben, Kraut kauend, Welt vergessend.
Durch schnellere Lieder wie „MRK“ wird die Narkose gelüftet und auch vergessene Geister werden mit „Her“ geweckt, ein Lied für einen noch ungeschriebenen Neo-Noir. Die Femme Fatale erscheint im Soma Tempel, der Detektiv hat seinen Fall schon längst beiseite gelegt, irgendwo spielt verloren ein Flügelhorn. Zuweilen etwas langatmig, bezirzt Kush K auf Lotophagi mit Pop-Melodien und sorgfältig aufgebauten Klanglandschaften. Ein Album wie ein Traum. Vernebelt und trotzdem von grosser Kraft.