Grand Hotel van Cleef / VÖ: 5. April 2024 / Indie, Rock
kettcar.net
Text: David Spring
Und wer will, der findet Wege und wer nicht will, findet Gründe
Ganze sieben Jahre hat es gedauert, doch endlich melden sich Kettcar wortgewaltiger denn je zurück. Bereits der Titel der Platte, «Gute Laune ungerecht verteilt», lässt ahnen, wie es um die Welt steht. In den sieben Jahren ist viel passiert: Krieg, Pandemie, Fake News, Querdenker, Rechtsrutsch, Klimakrise und noch mehr Krieg. Da braucht es schon ganz besondere Wortschmiede, um nicht die Hoffnung zu verlieren oder in gutgemeinten aber ultimativ sinnlosen Plattitüden zu versinken. Zum Glück sind Kettcar da genau die richtigen dafür.
Und ob man hier mit Absicht oder aus Versehen ist
Es gibt keine coole Lösung, wenn man selber das Problem ist
Trotz der langen Pause sucht man ausgelatschte Wir-sind-wieder-hier-Floskeln auf diesem bereits sechsten Album vergebens. Kettcar legen den Finger gerne in die Wunden unserer Gesellschaft, blicken aber auch genauso oft nach Innen. Der faszinierende Closer «Ein Brief meines 20-jährigen Ichs (Jedes Ideal ist ein Richter)» etwa, in welchem sich Sänger Marcus Wiebusch unglaublich direkt und intensiv mit sich und seinem privilegierten Platz in der Welt auseinandersetzt. Oder das so witzige wie betrübliche «Kanye in Bayreuth», welches sich gekonnt mit dem Thema Cancel Culture auseinandersetzt. Das Lachen bleibt immer wieder im Hals stecken, sind die Beobachtungen doch stets so unangenehm und real, wie sie pointiert sind.
Zwischen dem Summen der Mücken und dem Lachen der Möwen
Ist alles schon gesagt, aber noch nicht von jedem
Das vielleicht krasseste Beispiel für die unnachahmliche Qualität des Kettcar‘schen Songwritings ist die Single «München» (feat. Chris Hell von Fjørt). Während die Musik rau und ungewohnt post-punkig ist, bespricht der Text aus der Feder von Bassist Reimer Bustorff, wie sein Schulkamerad damals Alltagsrassismus erfuhr (sei es beim Einkaufen, auf der Wohnungssuche, zuhause bei Freunden und immer wieder durch die Frage «also, wo kommst du denn eigentlich her?») und wie der Texter dies wahrnahm. Ein solch schwieriges und vielschichtiges Thema in einem dreiminütigen Song zu behandeln, ist herausfordernd genug, doch wie Kettcar damit umgehen, ist wahrlich fantastisch. Von diesem Song werden wir auch in Jahren noch sprechen, zumal die Thematik leider so bald nicht weniger relevant werden wird. Ein wahres Meisterwerk.
Mein Herz ist ein totgeschlagenes Robbenbaby
Es fühlt sich an, als wären Kettcar kaum je weggewesen und es fällt schwer, sich überhaupt vorzustellen, wie das so lange ohne sie ging. «Gute Laune ungerecht verteilt» ist keine einfache Platte und nicht selten muss man tief schlucken. Doch Hoffnung und Positivität gehen trotz der Melancholie und dem fühlbaren Realitätsverdruss nie verloren. Kettcar haben genau das Album geschaffen, das wir brauchen, so intensiv, unbeschönigt und ehrlich, wie es erbauend und versöhnlich ist. Schön, seid ihr wieder da.
Und da ist so viel Liebe für jeden harten Tag, jedes Jahr
Oh, alles wird besser