Southeastern Records / VÖ: 9. Juni 2023 / Country
Jason Isbell And The 400 Unit
Text: Torsten Sarfert
Es gibt wohl kein Album, welches ich in den letzten Monaten so oft gehört habe, wie „Weathervanes“, das neuste Album von Jason Isbell And The 400 Unit. Dabei war es mir anfangs fast zu pathetisch, zu emotional, zu „amerikanisch“. Aber die 13 neuen Songs des ex-Drive By Truckers haben es in sich. Begleitet von Isbells fantastischer Band The 400 Unit – die momentan wohl zu den Besten ihres Fachs gehört – ist „Weathervanes“ ein hoch immersives und – ja auch – emotionales Werk geworden. Vor allem wegen des magischen Songwriting Isbells.
Laut Plattenfirma ist das Album eine „Sammlung von Songs für Erwachsene: Songs über erwachsene Liebe, über Veränderungen, über die Gefahr der Nostalgie und das Hinterfragen von Mythen, über Grausamkeit und Reue und Erlösung.“ So die freie Übersetzung des Hype Sticker Slogans „Life & Death Songs Played For And By Grown Ass People“. Das klingt erst mal eben recht pathetisch, trifft es aber am Ende doch ziemlich gut.
Auf Isbells selbstproduziertem, brutal-schönem Album zittern die Lieder vor Wut, Verzweiflung und Angst; die Charaktere ringen mit Reue und ungesunden Gelüsten, während sie versuchen, Verluste nach schlechten Entscheidungen und sich häufenden Konsequenzen zu verkraften. Isbells Geschichten und Themen ziehen einen unweigerlich in den Sog des (nicht nur) amerikanischen Alptraums: Massenschiessereien, Opioidabhängigkeit, Covid-19. Selbst die Liebeslieder sind rissig und müde, gezeichnet von der harten Realität. Dennoch wohnt ihnen eine unvergleichliche, einzigartige Wahr- und Schönheit inne, der man sich nur schwer entziehen kann. In diesen schweren Zeiten auf eine bizarre Art fast schon „Feel-Good“ Musik.
Deswegen gilt Isbell seit einiger Zeit als einer der besten Songwriter der USA, in dessen selbstreflexiven Songs man sich wiederfinden und über sich selbst lernen kann. Wenn man denn möchte. Denn derart ketzerisches gefällt nicht allen (im traditionellen Country-Kosmos verorteten) Fans. Schon gar nicht, wenn reflektiert über Feminismus gesprochen oder der Präsident angegriffen wird. Da wird dann auch schon mal demonstrativ der Saal verlassen, wenn Isbell seinen rassismuskritischem Song „White Man’s World“ vom 2017er Album „The Nashville Sound“ anstimmt.
Isbell steht in der Tradition von Ikonen wie Bruce Springsteen, Neil Young und Tom Petty und ist genauso untrennbar mit den kongenialen The 400 Unit verbunden, wie letztere mit der E-Street Band, Crazy Horse und den Heartbreakers.
Musik für Erwachsene eben. Und solche, die es werden wollen.