Autor: Sebastian Janata
Titel: Die Ambassadorin
Verlag: Rowohlt
ISBN: 978-3-498-09203-0
Es kann schwierig sein, an den kleinen Ort zurückzukehren, in dem man aufgewachsen ist. Besonders wenn es sich um die österreichische Provinz handelt, in der Natur und Tradition regieren. Hugo Navratil muss diesen Weg allerdings auf sich nehmen, ist sein Grossvater, der ihm die Jagd nähergebracht hatte, gestorben. So trifft der Wahlberliner auf die ewig gleichbleibenden Zustände des burgenländischen Dorfes, trifft alte Freunde und Feinde wieder, bemerkt die alten Muster.
Wären da nicht die zwei Frauen, welche nach der Beerdigung ziemlich energisch im Dorf nach einer alten Flinte suchen. Hugo gerät ohne sein Zutun inmitten einer alten Geschichte, bei der nicht nur sein Grossvater die Finger im Spiel hatte, sondern das halbe Dorf – seit Jahrzehnten. Und plötzlich erscheint vieles in neuem Licht.
Mit dem Debüt werden die typischen Merkmale des Dorfromans von Sebastian Janata geschickt auf den Kopf gestellt und neu angepackt. Wer beim Lesen von „Die Ambassadorin“ zuerst denkt, dass hier die typischen Klischees bedient werden, erlebt einige Überraschungen. Antihelden strahlen, das Matriarchat wird zum vorherrschenden System, scheinbar eindimensionale Figuren offenbaren mit der Zeit ungeahnte Seiten und Eigenschaften.
Verpackt in eine spannende Geschichte, geschmückt mit leicht verrückten Figuren und einer grossen Portion Humor, ist „Die Ambassadorin“ ein leichtfüssiger Roman, der sich angenehm liest und seine Stärken sehr gezielt einsetzt. Man spürt, dass Sebastian Janata bereits bei seiner Band Ja, Panik mit doppelten Bedeutungen und lyrischen Konzepten konfrontiert wurde. Sei es bei den wunderbaren Alben oder dem, im Kollektiv geschriebenen Buch „FUTUR II“. Der hier vorgelegte Text wirkt niemals bemüht oder an den Haaren herbeigezogen.
Da stört es auch nicht, fiel das Ende etwas gar simpel aus, wobei die Geschichte durch Hugos Augen betrachtet wird und von der Unwissenheit lebt. Man nimmt als Leserin oder Leser nicht die Gottesposition ein, sondern lebt im Dorf. Und eigentlich kann es dort ganz schön sein.
Text: Michael Bohli