Band: Idles
Album: Ultra Mono
Genre: Post-Punk
Label: Partisan Records
VÖ: 25. September 2020
Webseite: idlesband.com
„I am I“. Die Band der Stunde mit dem Sound der Stunde. Slogans, die ziehen, eine Haltung, die anstösst und eine Rhythmusfraktion, die vor sich hertreibt. Die Gitarren sägen, schneiden und knarzen wie alte Holztüren, die sich öffnen. Idles bringen Menschen zusammen, anstatt sie zu trennen oder gar zu spalten. „Unify“ und „Unity“. Die Marschrichtung sollte damit geklärt sein. Sie ist nicht neu. Und sie ist auf „Ultra Mono“ nicht grossartig anders als auf den beiden Vorgängern, von denen „Joy as an Act of Resistance“ zurecht den Durchbruch bedeutete. Post-Punk hat eine neue Welle grossartiger Bands hervorgebracht, die auf unterschiedliche Weise das Erbe früherer Bands angenommen und bedeutend weiterentwickelt haben. Die aktuellen Speerspitzen heissen unter anderem Fontaines D.C., Savages, Shame und eben Idles, welche die vielleicht schärfste Zunge haben.
Auf „Ultra Mono“ findet die Band zur Selbstakzeptanz. Das ist in der aktuellen Zeit ein nicht ganz überraschender Ansatz. Die zunehmende Individualisierung und das Streben nach Selbstverwirklichung sollte man nicht mit Egoismus verwechseln, doch ist der Grat schmal und sind Kollateralschäden nicht auszuschliessen. Idles stehen für Inklusion, Gemeinschaft und vor allen Dingen: Empathie. Das ist konkret genug für eine Band, der vorgeworfen wird, dass sie ausser Slogans selber keine Antworten habe.
Ihre Musik ist gewohnt aufgekratzt, das Album beginnt extrem stark, baut dann aber wie der Vorgänger mit der Zeit etwas ab. Die Texte reissen mit und den Song manchmal raus. Das Prinzip Idles nutzt sich natürlich damit auch allmählich etwas ab, immerhin verliert es aber nicht die Form und gewinnt gebraucht an Charakter. Zudem muss man dem Sprechsänger Joe Talbot attestieren, dass er seine Stimme durchaus variabler einsetzt, als man das nach dem ersten Hördurchgang voreilig vermuten würde. Nur singen tut er natürlich immer noch nicht.
Die Band aus Bristol macht in den ersten drei Songs alles richtig, mit dem mechanischen „Grounds“ sogar etwas Neues und das so ausgezeichnet, dass man insgeheim hofft, dass es auf diesem Weg weitergehen möge. Die Band steckt noch nicht in der Sackgasse, aber ohne gewisse Anpassungen scheint das absehbar. Da hilft auch ein Klavierintro von Jamie Cullum nicht („Kill Them With Kindness“) oder Jehnny Beth in „Ne Touche Pas Moi“, die mehr als willkommen mitschreit und diesem Inhalt die zwingend nötige weibliche Stimme leiht. Gesang ist das natürlich auch nicht.
Idles sind ein Safe Space und als solcher unverzichtbar. Wenn sie ein Liebeslied machen, dann wird ordentlich geflucht („The Lover“), ihre Unsicherheiten und ihre Verwundbarkeit kommen anderswo zum Tragen. Damit machen sie sich nach wie vor angreifbar, die Frage ist lediglich, wer glaubt, etwas davon zu haben. Wahrscheinlich die gleichen Menschen, die sie und andere abschätzig als Gutmenschen bezeichnen. Aber auch dafür haben sie einen Slogan parat: „Fuck you / I’m a lover“.
Tracklist:
1. War
2. Grounds
3. Mr. Motivator
4. Anxiety
5. Kill Them With Kindness
6. Model Village
7. Ne Touche Pas Moi
8. Carcinogenic
9. Reigns
10. The Lover
11. A Hymn
12. Danke
Bandmitglieder:
Jon Beavis – Schlagzeug
Mark Bowen – Gitarre
Adam Devonshire – Bass
Lee Kiernan – Gitarre
Joe Talbot – Gesang
Gründung:
2009
Text: Michael Messerli