Band: Hiss Golden Messenger
Album: Quietly Blowing It
Genre: Indie Folk / Americana / Country
Label: Merge Records
VÖ: 25. Juni 2021
Webseite: hissgoldenmessenger.com
Neun Alben in zwölf Jahren sind gefühlt zu viel: Wer so zahlreich Material liefert, kann wohl nicht jedem einzelnen Song die Aufmerksamkeit zukommen lassen, die ihm gebührt. Kritiker beäugen deshalb Hiss Golden Messenger – das ist das Bandpseudonym des Sängers, Komponisten und Gitarristen MC Taylor – aus North Carolina allein aus numerischen Gründen mit einer grossen Portion Skepsis.
Dass der Indie-Folk-Mastermind die ersten paar Songs seines jüngsten Albums auch noch mit bedeutungsschwangeren Protestzeilen wie „Up with the mountains, down with the system that keeps us in chains“ („Way Back In The Way Back“) oder „The poor man loses and the rich man wins, chasing down that mighty dollar“ („Mighty Dollar“) bestückt und scheinbar Dylan und Springsteen referenziert, macht die Situation nicht besser. Mit den ersten drei Songs katapultiert sich der zischende goldene Botschafter also noch mehr in die Defensive – auch wenn „Mighty Dollar“ der bislang heisseste Blues seines Oeuvres ist.
Doch wer dieses Album nach seinem etwas holprigen Einstieg verwirft, verpasst Grosses. Der Umstand, dass Taylor auf dem vierten Platz der Tracklist den Titelsong einreiht, ist eigentlich als Wink mit dem Zaunpfahl zu verstehen, weiterzuhören. Im Song „Quietly Blowing it“ schlägt er die Brücke von den von ihm vermeintlich lapidar besungenen Missständen in der Welt zu seinem eigenen Beziehungsleben, beginnt den leisen Walzer mit den Worten: „What you’ve done to me, I’ve done to you“. Und während er sein eigenes Leben „leise vermasselt“ („quietly blowing it“), passiert dasselbe da draussen mit Pauken und Trompeten (die er übrigens im Einstiegssong sinnbildlich verwendet) – „On the TV there’s a riot going on“. Und wenn er am Ende konkludiert, „You gotta let someone in, that’s all that’ll save you“, so verlässt er seine Weltbetrachtung zum System, der ungerechten Verteilung des Geldes und den Protesten. Er blickt weg von den Problemen und fokussiert auf die Beziehung zwischen einzelnen Menschen.
Taylor stellt seine eigene Unruhe stets in den Kontrast zum Weltgeschehen – eine Dissonanz, der er sich permanent ausgesetzt fühlt; zwar ist ihm bewusst, wie bedeutungsvoll die Geschehnisse da draussen sind, doch letztlich treffen ihn seine privaten Kollisionen unmittelbarer und empfindlicher. Dem Titeltrack hängt er den dazu passenden lyrischen Höhepunkt „It Will If We Let It» an: „When it all feels strange, do the words have no meaning? They will if we let ‘em, but first we gotta say ‘em, that means we gotta learn ‘em. You’re not alone.“ Dass er dieser hoffnungsvollen Botschaft ein feines Motown-souliges Kleid verpasst, macht die Komposition zusätzlich gehaltvoll. Wenngleich fast geflüstert, balanciert er die stimmliche Inszenierung wunderbar zwischen mitweinend und Mut machend.
Das „leise Vermasseln“ aus dem Album- und Songtitel wird so zum Ausgangspunkt für einen Weg zur Hoffnung hin. Den ersten Lichtblick erhascht Taylor in „If It Comes In The Morning“. „It“ definiert er dabei nicht genauer – und fragt sich „will I be grateful if it comes in the morning?“. Dankbar oder nicht: „I’m ready to try“ – „whatever comes in the morning“.
Das Motiv des neuen Tages nimmt er nun immer wieder auf. „If I can’t feel it, wait ‘til the daylight“ („Glory Strums“), „They say a new day’s coming, I don’t doubt it“ („Painting Houses“) – und entzündet damit ein kleines Licht der Hoffnung. „Jubilee, find me, steady with your hope now. That little light’s gotta last a while“ („Sanctuary“).
Damit ist das Album zu Ende, wenngleich es sich wie ein Anfang anfühlt. Das heisst aber nicht, dass das Werk nicht abgerundet wäre. Taylor hat sich für „Quietly Blowing It“ durchaus abgerackert, seine eigene Seele durchforstet, seine Düsterkeit, auf der Suche nach diesem kleinen Hoffnungsschimmer. Ihn gefunden zu haben fühlt sich auch für den Zuhörer nach dem Mitleiden durch die meist leichtfüssig folkig interpretierten Songs wie ein erheblicher Erfolg an. Und so erfüllt sich letztlich auch Taylors tiefster Wunsch an dieses Album, den er zu Beginn des Songs „If It Comes In The Morning“ äussert: Hoffen wir, dass Hoffnung ansteckend ist.
Tracklist:
1. Way Back In The Way Back
2. The Great Mystifier
3. Mighty Dollar
4. Quietly Blowing It
5. It Will If We Let It
6. Hardlytown
7. If It Comes In The Morning
8. Glory Strums (Loneliness Of The Long-Distance Runner)
9. Painting Houses
10. Angels In The Headlights
11. Sanctuary
Bandmitglieder:
M.C. Taylor – Gesang und Gitarre
Alex Bingham – Bass und Synthesizer
Chris Boerner – Gitarren
Brevan Hampden – Schlagzeug und Perkussion
Devonne Harris – Klavier, Hammond, Wurlitzer und Clavinet
Gründung:
2007
Text: David Kilchoer