Band: The Hirsch Effekt
Album: Holon : Agnosie
Genre: Hardcore / Math-Rock
Label: Long Branch Records
VÖ: 24. April 2015
Webseite: thehirscheffekt.de
Wie brutalkomplex kann Musik sein? Wie weit kann man sich als Band wagen, ohne völlig den Boden zum Rationalismus zu verlieren? Sehr weit, wie The Hirsch Effekt aus Deutschland zum wiederholten Male beweisen, denn auch der dritte Teil ihrer Holon-Reihe lotet die Grenzen der harten Musik aus und kennt keine Zurückhaltung. Dass die Platte dabei nie die Erdung verliert, ist dem Songwriting der Gruppe zuzuschreiben, denn an der Leine kann man diese Songs nicht halten.
Was vor einigen Jahren noch vergleichsweise zahm mit „Holon: Hiberno“ begann, fand auf dem Zweitling und unglaublich intensiven Konzeptalbum „Holon: Anamnesis“ den vorläufigen Höhepunkt. Mit Orchester, Chor und Popmomenten kannten die Band und ihre Musik kein Halten mehr. Zu Recht stellten sich nun einige die Frage, wie will man ein solches Monstrum übertreffen?
The Hirsch Effekt sind ehrlich und sagen: Weniger ist Mehr, dafür voller Wut und Wucht. „Holon: Agnosie“ beginnt zwar, als wäre zwischen den Alben nicht viel passiert und knallt den Math-Rock mit Streichern und viel Pathos an die Stirn, zweigt aber dann bald ab. Die orchestralen Bestandteile verschwinden, die Band baut Dämme aus trockenem Beton und spitzen Eisenstäben. Trotzdem gelingt es der Gruppe, ihre Musik mit vielen Details auszustatten. Es ist kein sinnloses Geknüppel, es ist durchdachtes Arbeiten.
Eine solch wilde Symbiose aus diversen Stilen braucht eine leitende Spur, ansonsten verliert sich die Musik im Chaos. Und genau das war schon immer die Stärke des Trios, gehen ihnen doch Taktwechsel, krumme Rhythmen und harte Breaks leicht von der Hand. Kongenial mischen sie diese krassen Abschnitte mit hymnischen Gesangsstellen, eingängigen Melodien und Parolen. Die Texte bleiben dabei gerne mal etwas kryptisch, lassen sich aber gut mitsingen. Nicht nur Tocotronic wissen mit der Deutschen Sprache umzugehen, denn Zeilen wie „Des Nachts kommen sie wieder / die Schönen und die Schlechten / tarnen sich als Trost / und spenden Agnosie“, kann man nur feiern. Dass auf dem Album „Fixum“ seinen zweiten Auftritt hat stimmt schon, schliesst dieses Werk doch einen Abschnitt in der Hirsch-Geschichte ab.
Der fulminante Mix aus Math, Hardcore, Art, Post und Metal ist formvollendet und braucht genau so viel Energie, wie er abgibt. „Holon: Agnosie“ ist erneut ein Meisterwerk der brutalen Musik, hat aber ein weiches Herz und kann sogar Trost spenden. Die Musiker sind technisch noch versierter geworden, bauen unendlich viele Riffs und Licks in die Stücke. „Holon: Agnosie“ wird würdig präsentiert und ist bereit, euer Wohnzimmer auseinander zu nehmen. Danach fühlt ihr euch darin aber wohler, garantiert.
Tracklist:
1. Simurgh
2. Jayus
3. Agnosie
4. [Chelicera]
5. Bezoar
6. Tombeau
7. Emphysema
8. [Defaetist]
9. Fixum
10. Athesie
11. [Tischje]
12. Dysgeusie
13. Cotard
Bandmitglieder:
Nils Wittrock – Gesang, Gitarre
Ilja Lappin – Bass, Gesang
Moritz Schmid – Schlagzeug
Gründung:
2009
Text: Michael Bohli