Partisan Records / VÖ: 22. April 2022 / Post-Punk
fontainesdc.com
Text: Michael Messerli
Eine Band wie Fontaines D.C. muss man mit dem Textbuch hören, weil ein Songwriter wie Grian Chatten viele kluge Dinge im Kopf hat. Das lässt sich in einer Rezension oder in zehn Songs gar nicht alles abbilden. Die Band aus Dublin bringt ihre Kultur nach London und das ist in vielerlei Hinsicht interessant. Die gälischen Titel des Albums und des Openers sind kein Zufall. «Verdammter Hirsch!» bedeutet das dritte Werk innert drei Jahren und Grian Chatten lebt mittlerweile in dem Königreich, welches seine Heimat lange Zeit unterdrückt hat. Wenn man sich mit Fontaines D.C. befasst, muss man sich auch die Frage stellen, wie man die Band der Stunde buchstabiert. Nachdem ihr Debüt sie nach oben katapultierte, sorgte «A Hero’s Death» dafür, dass sie dort bleiben – und deshalb muss «Skinty Fia» nicht mehr mit der Tür in den Pub fallen. Im Vergleich zu den beiden Vorgängern stossen sie sie mit Nachdruck auf.
Das Album findet einen eigenwilligeren Rahmen. Es beginnt mit «In ár gCroíthe go deo» und endet mit «Nabokov». Zwei Songs, die im Band-Kosmos positiv auffallen. Die ernste Produktion und die ernsten Texte tun ihr Übriges. Fontaines D.C. sind nun also die «Boys In The Better Land» und anstatt ihren Sound in kurzer Zeit und drei Alben zu erschöpfen, schaffen sie, was vielen anderen nicht gelingt: Sie bleiben äusserst spannend, selbst wenn sich die Aufregung gelegt hat. Klar, «Jackie Down The Line» ist der Hit der Platte und klingt manchmal, als würde Liam Gallagher plötzlich Post-Punk machen. Dieser Vergleich ist letztlich aber vor allem eine Beleidigung, für die man zurecht aufs Maul kriegen müsste. Die Ironie daran ist, dass Gallagher tatsächlich ein irischer Name ist.
«Skinty Fia» reflektiert die Situation, als erfolgreiche irische Musiker neu in London zu leben. Es reflektiert weiterhin die Gedanken der Band und vor allem von Grian Chatten. Es tut dies musikalisch mit mehr Ruhe und ausformulierter, der Sturm und Drang des Debüts rückt in den Hintergrund. Diese Entwicklung war schon auf dem Vorgänger auszumachen. Trotzdem fesseln einen Fontaines D.C. immer noch, sie packen einfach anders zu. Und es ist durchaus möglich, dass dies nachhaltiger bindet. Irgendwann werden Post-Punk-Songs und ihre begrenzte Anzahl an Worten für Chatten zu kurz sein. Vielleicht dürfen wir dann seine Bücher mit seinen Songs lesen. Eine Band wie Fontaines D.C. hat aber noch viele kluge Ideen auf dem Herzen. Zum Glück schliesst das eine das andere nicht aus.