BMG / VÖ: 9. Mai 2025 / Folk-Rock
countingcrows.com
Text: Torsten Sarfert
Sha-la-la-la-la la-la. Wenn es jetzt nicht klingelt, warst du in den 90ern woanders. Wieder da sind jedenfalls die Counting Crows, Verfasser von «Mr. Jones», diesem Überhit mit dem ikonischen Intro – und das ohne jede Alterserscheinung. Vier Jahre nach der EP «Butter Miracle: Suite One», die uns 2021 einen ersten appetitanregenden Vorgeschmack auf das neue Kapitel der Kalifornier lieferte, erscheint nun endlich das komplette Menü: «Butter Miracle, The Complete Sweets!». Neun feine Songs wie aus einem grossartigen Guss – umso bemerkenswerter, da vier davon eben bereits auf der vorangegangenen EP zu finden waren.
Alle Songs wurden erneut von Adam Duritz geschrieben, diesem grossen, melancholisch-witzigen Storyteller mit der zerfledderten Seele, dessen Stimme immer klingt, als hätte er gerade einen Abschiedsbrief verbrannt. Dieser Mann, der gemeinsam mit seiner Band mehr als 20 Millionen Scheiben verkauft hat, schenkt uns erneut eine Sammlung bittersüsser Geschichten – eingepackt in dieses faszinierende und einzigartige musikalische Amalgam aus Classic Rock, Singer-Songwriter, Folk und Americana.
Bereits der Opener «With Love, From A-Z» markiert das emotionale Fundament: ein Blick in den Spiegel eines alternden Künstlers und Menschen, der seine Beziehungsfähigkeit reflektiert. Die wunderbare, niemals resignative Melancholie, die die Songs der Counting Crows so besonders macht, blitzt hier wieder auf.
In der ersten, geradeaus rockenden Single «Spaceman In Tulsa» geht es um Identität, um das Gefühl, falsch zu sein in einer Welt, die für andere gebaut wurde. Duritz’ Stimme taumelt durch den Song wie ein ausgezehrter Astronaut, der irgendwo da draussen endlich verstanden werden will und eigentlich niemals «a motherfucking rock & roll star» werden wollte.
Die zweite Single «Under The Aurora» ist weniger krachig, aber mit ihrer kinematografischen Orchestrierung mindestens ebenso intensiv. Möglicherweise ist der hymnenartige Song Duritz’ Antwort auf die Pandemie, vielleicht aber auch auf noch viel mehr. In «Boxcars» und «Angel Of 14th Street» werden sozialkritische Themen aufgegriffen, während «Virginia Through The Rain» und «Elevator Boots» den Blick wieder nach innen lenken.
Alles wirkt so frisch und frei, als hätte Duritz das letzte Sha-la-la-la-la la-la erst gestern intoniert. Und dann, ganz am Ende, findet man sich mit «Bobby & The Rat-Kings» plötzlich mitten auf der Thunder Road wieder. Genau wie im Springsteen-Klassiker hämmert hier das Piano gegen den Teufel der Bürgerlichkeit an, während Duritz mit grossen Bildern eine Nacht heraufbeschwört, in der alles möglich scheint: Ausbruch, Flucht oder ein letzter, alles verändernder Tanz, bevor das Leben wieder grau wird. Oder vielleicht für immer bunt bleibt.
«Butter Miracle, The Complete Sweets!» ist – trotz und wegen wunderbarer musikalischer 90er-Reminiszenzen – ein sanft rockendes, schlaues Album über das Jetzt, über das Älterwerden, das Verschwinden und das Weitermachen. Und ein Album für alle, die immer noch an die heilende Kraft einer fesselnd erzählten Geschichte und einer magisch-melancholischen Melodie glauben.
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