Datum: 7. August 2010
Ort: Dynamo – Zürich
Website: www.combichrist.com
Geschrieben von: Nicole
Combichrist schmetterten im gut gefüllten und überhitzten Dynamo einmal die volle Ladung Elektro-Dröhnung hin. Doch bevor es auf der Bühne stampfte und im Publikum dampfte, trafen wir einen entspannten Andy LaPlegua auf ein kurzes Gespräch.
Nicole: Du spielst ja mit Combichrist sehr oft und fast alljährlich in Europa auf Festivals und seit ständig auf Tournee. Wie gefällt es Dir hier und empfindest Du Europa als sehr unterschiedlich zu Amerika?
Andy: Jede Stadt ist so verschieden und doch sind da immer wieder Ähnlichkeiten. Berlin ist z.B. sehr ähnlich wie New York, hingegen Hamburg könnte vielleicht sogar in der Schweiz sein. Die Unterschiede sind meiner Meinung nach eher von Stadt zu Stadt, als von Land zu Land.
Nicole: Lebst Du eigentlich noch in den U.S.?
Andy: Ja. Jedoch bin ich in den letzten Jahren soviel auf Tour und unterwegs, dass ich nur sehr selten zu Hause war.
Nicole: Du magst diese Art zu Leben?
Andy: Ja, sehr. Es gibt sicherlich Hoch und Tiefs. An manchen Tagen fühlt es sich einfach nur super an, auf Tour zu sein und dann wiederum wünsche ich mir nach Hause zu können und mehr Zeit für mein privates Leben und meine Hobbys zu haben.
Nicole: Ist die Band eine Art Familie für Dich und wie schwierig ist es, mit einer Band auf bestimmte Zeit zusammen zu leben?
Andy: Grundsätzlich ja, es fühlt sich wie eine Familie an in einer Art und Weise. Früher gab es sicherlich auch schon Probleme. Seit ein paar Jahren habe ich nun aber ein gutes Team zusammen und wir sind bereits eine Weile in dieser Formation unterwegs. Klar ist es nie 100% nur top. Wir alle haben unsere guten und schlechten Tage, doch nach so langer Zeit wissen wir, wie miteinander umzugehen und es gibt nichts, was nicht lösbar wäre.
Nicole: Wenn Du unterwegs bist, was vermisst Du am meisten?
Andy: Oh ja, ich vermisse so einiges. Ich bin ein grosser Fan von Hot Rods und der damit verbundenen Szene. Das vermisse ich am meisten. Zu Hause habe ich einige Autos und Motorräder, an denen ich oft und gerne arbeite und natürlich damit fahre und meine freie Zeit verbringe.
Nicole: Wenn ich mich so durchs Internet lese fällt mir auf, dass Du irgendwie das Image eines „Bad Guy“ hast. Ist das Image eines Rockstars à la Sex, Drugs und Rock’n’roll etwas, das Dir gefällt?
Andy: Ist das so? 🙂 Vieles an Combichrist ist ein Charakter und Combichrist ist eine Figur, die ich spiele. Es ist wie ein Cartoon oder ein Film, den wir inszenieren. Die meisten Texte, zumindest vom letzten Album, sind fiktiv und haben nichts mit meiner Person zu tun und entsprechen nicht meiner persönlichen Meinung. In etwa wie die Figur von Freddy Krueger, die auch nichts mit der Person von Wes Craven, dem Erfinder, zu tun hat. So sehe ich auch die Figur des Combichrist.
Auf dem neuen Album hingegen wird Combichrist mehr von meiner Person verkörpert. Die Texte und Gefühle werden sehr von mir geprägt sein, mehr als je zuvor. Sicherlich nur musikalisch und es wird nach wie vor Combichrist sein. Bestimmt ist es kein Porträt eines Bad Guys. Meine Wurzeln kommen allerdings aus den 50ern und dem Rock’n’roll. Vielleicht könnte man es vergleichen mit „Freaks“ gegen „Spiessbürger“ und wir spielen dabei die „Freaks“. Wobei doch meistens im Endeffekt die „Freaks“ sich als die Guten heraus stellen und die „Normalen“, im Anzug, die Psychopaten sind.
Es ist wie wenn wir uns in Schwarz kleiden und die Leute denken, dass wir verrückt und böse sind. Dabei gefällt uns einfach dieser Style und die Art und Weise sich zu kleiden. Jemand der einen Mohawk (Irokesenhaarschnitt) hat, geht nicht auf die Strasse und haut sinnlos drauf los, sondern es gefällt Dir und du gehst raus in einen Club zum Abtanzen, ganz einfach.
Nicole: Das stimmt. Ich sage auch immer, dass je mehr Tätowierungen oder Piercings eine Person hat, desto lieber ist sie 🙂
Andy: Ja, genau 🙂 Wahrscheinlich haben wir eine grössere Akzeptanz dem Leben und anderen gegenüber und verurteilen nicht nur aufgrund von Äusserlichkeiten. Es ist wie mein Vater immer sagte. „Wenn ich Dich nicht kennen würde, würde ich Dir nicht in einer dunklen Gasse begegnen wollen. Aber gerade weil ich Dich kenne, wärst Du die erste Person, der ich in dieser dunklen Gasse begegnen möchte“.
Nicole: Euer neues Album heisst „Making Monsters“. Vorhin hast Du erwähnt, dass dieses Album persönlicher sein wird und doch sieht man Dich und Combichrist z.B. auf Promo-Bildern immer wieder als Zombies oder eben Monster. Wird es dabei um Horror-Film-Monster gehen oder die Monster in uns?
Andy: Bei „Making Monsters“ wird es um Monster im mystischen Sinne gehen. Also nicht um Film-Monster. Unser letztes Album „Today We Are All Demons“ war bereits der erste Schritt in Richtung eines persönlicheren Albums. Ich hatte eine sehr harte Zeit und musste meine eigenen Monster bekämpfen. Wahrscheinlich geht jeder einmal im Leben durch so eine Phase und muss seine inneren Dämonen bekämpfen. Und dann muss man sich entscheiden, macht man so weiter oder soll man etwas verändern. Es ging also sehr darum, wie ich meine Dämonen abwenden konnte. Dabei geht es jedoch nicht um Religion oder so was. Ich musste einfach meine Dämonen akzeptieren und sie dazu nutzen, etwas Positives daraus zu ziehen.
Zu „Making Monsters“ kann ich sagen, dass ich zurück bin und mich stärker als zuvor fühle. Und gleichzeitig zurück bin um Monster zu schaffen in einer positiven Weise. Doch hauptsächlich erschaffen unsere Fans die Monster und auch Combichrist als Charakter. Unsere Fangemeinde ist für mich sehr wichtig und irgendwie Bestandteil der Band. Gerade auch live machen die Fans sicherlich 99% der Show aus.
Nicole: Du stehst ja auch auf Rock’n’roll Musik? Ist der Unterschied, gerade die Aggressivität, die elektronische Musik ausstrahlt, sehr enorm?
Andy: Ja, das stimmt, ich mag Rock’n’roll. 🙂 Klar stehe ich auf Elektro und Industrial, doch für mich ist das gar nicht so aggressiv. Leute, die keinen Elektro hören empfinden das vielleicht so, das muss aber nicht unbedingt zutreffen. Jede Musikrichtung hat ihre eigene Seele und Bestimmung. Ich selber höre viel Rock’n’roll, Rockabilly oder Country wie z.B. Willie Nelson. Und das alles hat sehr viel Seele aus dieser Epoche, genauso wie Industrial dem heutigen Zeitgeist entspricht. Wahrscheinlich war sogar in den 50ern, der Rock’n’roll viel weiter vom Mainstream entfernt, als unsere Musik heute. Niemand ist heute noch schockiert darüber, nicht so wie damals auf alle Fälle. Deshalb ist Industrial für mich nicht unbedingt düsterer oder aggressiver als Rock’n’roll, es ist einfach eine andere Zeit. Das gleiche Statement, einfach in einer anderen Epoche.
Nicole: Das war ein sehr interessantes Gespräch, danke Dir vielmals für die Zeit und eine gute Show heute Abend.
Andy: Danke Dir