Beton Klunker / VÖ: 21. April 2023 / Indie, Pop
blond-band.de
Text: David Spring
Las Vegas Glamour made in Chemnitz? Zugegebenermassen nicht die glamouröseste Stadt, die man sich so vorstellen kann, und doch schillert und glitzert es in Karl-Marx-City, wie schon lange nicht mehr. Denn das extravagante Pop-Trio Blond mischt die Szene auf, hinterlässt Clubs in Schutt und Glitzerarsche und hat nun mit «Perlen» ihr zweites Album am Start. Man nehme sich in Acht, es werden keine halben Sachen gemacht.
Eröffnet wird mit einer unverschämt tanzbaren Ode an die Popheldinnen vergangener Tage, «Durch die Nacht». Catchy Beat, toller, witziger Text und glorreicher Indie-Rock, der uns schonend abholt. Blond sind eine moderne und aufgeweckte Band, voller intelligentem Wortwitz und (selbst-)kritischen Beobachtungen. Vor allem aber sind sie wütend. Das geniale «Männer» zum Bespiel verwendet einen altbekannten Pop-Klassiker, um den anhaltenden Mangel an FINTA*-Menschen auf den Bühnen so genervt wie eingängig zu thematisieren. Mit einem fetten Feature der Rapperin addeN ist der Song ein absolutes Highlight.
Männer sind das grosse Thema auf «Perlen», sie kommen verdientermassen nicht gut weg. Dickpics, Manspreading, sexuelle Gewalt, Mansplaining und das Patriarchat werden aufs schärfste kritisiert. Blond nehmen kein Blatt vor den Mund, bleiben dabei aber immer kreativ und überraschend. Das wohl krasseste Beispiel: die Peter-Lustig-Erklärbär-Perversion «Toxic». In sachlicher Stimme werden detaillierte Szenen von ekelerregenden Parasiten und Würmern vorgetragen, dazu ein sexy Beat und Britney-Spears-Referenzen. Toxische Maskulinität wurde noch nie so treffend und vernichtend kommentiert.
Ebenfalls relativ weit linksaussen ist der harte HipHop-Track «oberkörperfrei», Blond lassen hier ihre Rap-Muckis spielen. «mein boy» wiederum ist eine tragisch-traurige Liebeserklärung an den einzigen wahren Mann der Protagonistin, den eigenen Therapeuten, und «Sims 3» eine deprimierte Bestandesaufnahme des eigenen Lebens, in dem selbst der eigene Sims-Charakter seines nicht mehr im Griff hat. Zum Schluss wird’s nochmals versöhnlich, wenn uns Blond in «Du musst dich nicht schämen» versichern, dass wir ihre Musik weiterhin ohne schlechtes Gewissen feiern dürfen.
Schön so, denn «Perlen» ist wahrlich voll ebensolcher. Es muss etwas im Wasser sein in Deutschland, kommt derzeit echt verdammt viel unfassbar gute und denkwürdige Musik aus dem grossen Kanton. Blond tun weh und legen die geballte Faust gern in die klaffende Wunde. Doch die Songs sind genau, was wir jetzt brauchen: geiler, tanzbarer Indie mit wahnsinnig schonungslos ehrlichen und wichtigen Inhalten. Das macht betroffen, und bringt doch Spass, denn am Schluss singen wir alle freudig im Chor «es ist schön, es ist toll Blondinator zu sein!»