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Blond – Ich träum doch nur von Liebe

23/05/25
von David Spring

Blond-IchTräumDochNurVonLiebe

Beton Klunker Tonträger / VÖ: 23. Mai 2025 / Pop, Indie
blond-band.de

Text: David Spring

«Blond-Fans auf der ganzen Welt, betet zur sächsischen Prominenz: Blond sind unsere Götter, Blond sind unsere Götter!» Mit diesem zurückhaltend-diskreten Kanon eröffnen Blond ihr neustes Werk «Ich träum doch nur von Liebe» und setzen die Erwartungshaltung gleich ziemlich hoch an. Gab es auf ihrem 2023er Opus «Perlen» noch gelegentlichen Humor (wenn auch eher fatalistischer Natur), so bleibt diesmal kaum noch Platz für Verständnis oder Versöhnung angesichts der Weltlage und der Rolle der Männer darin.

Mit «Girl Boss» geht es unmissverständlich los: «Komm, fick das Patriarchat! Kauf dir Girl-Power-Schals, Aktivismus kann so einfach sein!» Ein vorzüglicher Indie-Punk-Banger, der überraschend heftig rockt und zeigt, wie voll Blond die Nase von Pinkwashing, Konsumgeilheit, Kapitalismusabhängigkeit und dem ganzen kranken System haben. Darauf folgt mit «So Hot» eines jener Lieder, das den ganzen Cis-Dudes sauer aufstossen dürfte. Blond zählen auf, welchen Gefahren eine dating-willige FLINTA* ausgesetzt ist, von Ghosting über Slutshaming, Gaslighting und Stalking bis hin zu Morddrohungen in den DMs. Ich kann schon ahnen, wie sie in den Kommentarspalten am Mund zu schäumen beginnen und sich vor lauter «Aber! Aber! Aber!» kaum mehr einkriegen… Und das war erst der zweite Song!

«Bare Minimum» beleuchtet die Sache dann aus der Sicht eines Mannes. Der von Johann gesungene Track lässt dir das Lachen schnell vergehen, wenn du merkst, wie krass der Song auf genau dich zutrifft, lieber linker Cis-Mann, der du das hier liest. Mit «SB-Kassen-Lover» ändert sich der Fokus dann: weg vom elendigen Patriarchat, hin zum Kapitalismus. Passend dazu ist der Track eine ballernde Techno-Nummer, die wenig subtil beschreibt, wie dieses Scheisssystem uns alle fertig macht, in dem wir von der Kaufgeilheit in die Armut und schliesslich in die Kriminalität getrieben werden. Blond schlagen aber nicht nur nach aussen, sondern halten auch sich selbst einen kritischen Spiegel vor. «Fliederbusch» etwa geht hart mit dem lyrischen Ich ins Gericht und beklagt die eigene Unfähigkeit, Freundschaften aufrechtzuerhalten und Versprechen einzulösen. Damit doch nicht alles im Elend versinkt, geben Nina und Lotta mit dem treffend betitelten «Lotta & Nina» immerhin einen augenzwinkernden Einblick in ihr rosiges Leben als ostdeutsche Celebrity-Schwestern.

Wie du merkst, sind die Zeiten ernster und düsterer denn je. Das widerspiegelt sich auch in der Musik der Platte. Abgesehen von ein paar ruhigeren Pop-Songs (etwa der grossartig überspitzten Selflove-Hymne «Geile Bitch») und gelegentlichen EDM-Ausbrüchen machen Blond heute quasi Indie-Punk. Da gibt’s deutlich mehr Ecken und Kanten als bisher. Für meine Ohren passt das besser denn je, andere jedoch könnten allenfalls das Fehlen einer epischen Pop-Hymne à la «Männer» monieren. Eigentlich aber egal, denn spätestens beim abschliessenden «16 Jahr, blondes Haar» wird dir der Hass auf diese Gesellschaft und all den Scheiss, den nicht cis-männliche Menschen tagtäglich erdulden müssen, so dermassen in den Hals steigen, das es kaum noch auszuhalten ist. Wie am Ende dieses unglaublichen Tracks mit resignierter, beinahe flehender Stimme ein letztes Mal den Albumtitel ins Mikro geflüstert wird, das macht dich echt fertig. Gnadenlos.

Es ist einfach, wegzusehen. Cis, hetero, womöglich männlich – die Privilegien häufen sich und da können dir die ganzen Minderheiten mit ihren komplizierten Ansprüchen ja egal sein. Doch glaub mir: An Blond wird kein Weg mehr vorbeiführen. Sie sind bitter nötig. Hut ab für dieses fantastische Album, das so grossartig wie unbequem ist. Und trotzdem: Der wahrhaft fabelhafte Moment wird jener sein, wenn solche Platten nicht mehr nötig sind. Denn bis wir alle – Blondinator oder nicht – ohne Ironie, Angst oder Wut wieder unbeschwert nur von Liebe träumen können, ist es noch ein weiter Weg.

Eingeordnet unter Musik-Rezension Schlagworte: Blond, David Spring, Ich träum doch nur von Liebe, Indie, Pop

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