Autor: Dirk Bernemann
Titel: Satt, Sauber, Sicher
Verlag: Ubooks
Geschrieben von: Luke J.B. Rafka
Harte Kost für strapazierfähige Nerven!
Dirk Bernemann, ein Mann mit dekadent schwarzem Humor. Herr Bernemann schreibt in seinem Buch Satt-Sauber-Sicher über die Unzufriedenheit vieler Menschen. Wie sie mit ihrem Leben so gar nicht zu recht kommen und was auf Grund zu vieler oder gar keiner Gedankenströme alles geschehen kann.
So verschieden die Charaktere in diesem Buch auch sind, haben sie alle eines gemeinsam. Sie sind mit ihrem Umfeld, ihrem Leben und überhaupt der ganzen Welt nicht einverstanden, trauen sich aber nicht etwas zu ändern. Möchte Herr Bernemann hiermit andeuten, dass die Welt vielleicht oberflächlich und von uns Menschen kaputt gemacht wurde? Ich weiss es nicht wirklich, aber eines kann ich Euch bestimmt mitteilen. Dieses Buch ist keine leichte Kost, wie es zuvor in seinen Büchern vielleicht war. Kritisch, vielleicht auch ein wenig selbstkritisch greift Herr Bernemann aktuelle Themen auf und nimmt dabei kein einziges Blatt vor dem Mund. Und wenn doch, dann umschreibt er es gekonnt in diesem Buch.
Zuerst dachte ich ja, es sind mehrere Geschichten in diesem Buch verfasst worden – was ja eigentlich auch wirklich so ist – aber irgendwie finden sich immer wieder Verbindungen zu all den Charakteren in diesen gebundenen Blättern. Eine seltsame Art und Weise der Schreiberkunst, aber genial sortiert und auf den Punkt gebracht.
Da ist zum einen ein alterndes Ehepaar, was sich nichts mehr zu sagen hat und nur noch vor sich hin vegetiert. In ihnen hegen enorme Mordphantasien gegen den jeweiligen Partner. Die Ehe ist schon längst kaputt, die Liebe – wenn es je eine gab – seit Ewigkeiten verwaist. Sie haben zwar den Gefallen an sich gegenseitig verloren – wie es oft bei alternden Partnerschaften geschieht – aber trotzdem ist noch ein wenig Gefühlsmasse füreinander da.
Im zweiten Kapitel „Geliebte Schwester Hoffnung“ wird ein Moment des Lebens einer Krankenschwester, namens Vera, beschrieben. Sie war bereits mit Roland – dem jüngeren Sohn des Ehepaares aus dem ersten Teil – mehrmals im Bett. Aber so richtig zusammen waren sie anscheinend nie wirklich. Sie ärgert sich ständig über die nicht korrekten Leistungen ihrer Kollegen und dröhnt sich mit Medikamenten zu, die eigentlich für ihre Patienten sein sollten. Daher ist sie auch nicht gross davon betroffen, dass ihr Freund fast zu Tode geprügelt im Zimmer 115 liegt. Naombi wurde von deutschen Nichtsnutzen im besoffenen Kopf halb tot geprügelt. Stattdessen sie sich Gedanken um sein Leben macht, denkt sie lieber an hemmungslosen Sex mit einem 18jährigen HipHopper. Ob der gut (p)hoppt ist eine andere Sache … Hier wird das immer wieder aufkeimende Thema der Gewalt und des rechten Gedankengutes angeschnitten.
„Humankapital (The Broker is broken)“ beschreibt den Wahnsinn in Roland. Er ist Broker mit ausgebrochenem Darmkrebs. Roland fühlt sich in einer falschen Welt, einem falschen Leben. Er bricht an der Börse zusammen. Wahrscheinlich war der Sexualtrieb seiner Kollegen/-in zu viel für sein Gemüt. Auf dem Weg nach Hause spürt er eine gewisse Lustlosigkeit und Müdigkeit, so dass er nicht direkt zum Arzt geht, sondern dieses Vorhaben auf den nächsten Tag schiebt. Nicht getreu nach dem Motto „Was du heute kannst besorgen, verschiebe nicht auf Morgen“, legt er sich lieber schlafen und träumt von seiner Kindheit. Wie sein Vater – Hubert, der Alte aus dem ersten Kapitel – mit ihm in der Badewanne sass und diverse Spielchen mit ihm spielte. Oder wie er von seinem Vater in die Gaststätte geschleift wurde und sich dummes Geschwätz von besoffenen Arbeitern anhören musste. Das Thema ist klar, aber trotzdem wird es hier gekonnt nur angeschnitten. Die Kindheit im Arsch oder so ähnlich – wenn ich jetzt einmal mit Bernemanns Ausdrucksweise spielen darf. Aber konkurrieren kann und möchte ich natürlich nicht. Das liegt mir fern, obwohl ich sicherlich auch manchmal solch kranke Ideen niederschreibe.
Roland läuft also einmal mehr Gedanken orientiert durch die Strassen der Welt und beobachtet die Menschheit mit ihren sinnigen oder doch eher unsinnigen Taten, Reaktionen usw. usf. – bis er von seinem Arzt eines Besseren belehrt wird. Er solle das Kokain doch aus der Nase lassen und überhaupt fragt sich der Arzt, wie es sein kann, dass ein Mensch mit solch einem von Krebs zerfressenen Körper überhaupt noch auf seinem Stuhl sitzen kann. Dem Tod zum Greifen nahe verlässt Roland also die Praxis und schwirrt gedankenverloren von Ort zu Ort. Möchte noch einmal richtig leben. Träumt vom Gevatter Tod, wie er mit ihm eine Diskussion führt … Später stellt sich allerdings heraus, dass Herr Bernemann den Tod als wunderschöne Frau sieht. Warum nur? Lest einfach, vielleicht werdet Ihr es dann erkennen.
“And the Oscar never goes to …“ ist ein wiederum ein Kapitel mit einer zerstörten Lebenseinstellung. Britta, eine mehr oder minder mittelmässige Schauspielern joggt durch den Park, in dem Roland blut- und kotzüberströmt am Baum liegt. Sie befriedigt sich mit Hugo (ihrem Dildo) – sonst will sie ja eh niemand – oder so ähnlich. Ich stelle fest, in dem ganzen Buch dreht sich alles – wie auch anscheinend im realen Leben – irgendwie um Sex. Schaut man sich Musikvideos oder TV-Werbung an, geht auf Partys und überhaupt jeder Sommer lässt nackte Haut zeigen. Mal erotisch anziehend aber auch erschreckend abstossend. Dirk Bernemann beschreibt hier wieder eine Person, die mit ihrem Leben nicht im Reinen ist und es wohl auch niemals sein wird. Oder vielleicht doch? Im weiteren Verlauf ihrer Geschichte stellt es sich doch schliesslich heraus.
Dirk beschreibt gekonnt, was alltäglich ist und die Erde zerstört und niemandem fällt es auf. Immer wieder muss ich schmunzeln über die Wahrheit, die er in seinem Buch reflektiert. Ich habe jüngst, selbst in einem Interview geantwortet, dass ich die Art von Bernemanns schreiberischen Fähigkeiten schätze. Diese Art Worte in Bildern zusammenzufassen, fasziniert mich einfach. Auch wenn ich anfangs dieses Buches erhebliche Schwierigkeiten hatte, es zu Ende zu lesen. Diese Art und Weise des Schreibwerkes, mit den sehr häufig auftauchenden Fäkalbegriffen wurde schon mit der Zeit sehr nervig und doch hat mich meine Neugier erhascht, um das Ende, den Paukenschlag bzw. den Ausgang dieser leidgeschwängerten Gedanken des Autors auf die Schliche zu kommen. Und nur deshalb habe ich dieses Buch zu Ende gelesen, bis zum letzten Zeichen des Wahnsinns. Ich habe mich durchgebissen, durch die realen Aufzählungen von Gewalt, Sex und anderen Dingen, die in diesen Geschichten so realitätsnah niedergeschrieben wurden und ich habe es wirklich geschafft das Ende zu erreichen.
Interessant sind auch die Textzitate verschiedener Songs, die hier von Dirk Bernemann immer wieder auftauchen – diese Songs von 80er, 90er-Ikonen der Punk- und generell der Independentbewegung. Eine Auflistung dieser Titel wäre zuvor im Vorwort noch sehr nützlich gewesen, hätte man die Songs sogar während des Lesens geniessen können.
Ein interessantes Buch, mit einem absolut genialen Inhalt, Satt – Sauber – Sicher ist schon eine seltsame Biografie des Weltgeschehens, die so phantasievoll aber auch zu gleich realitätsnah verfasst wurde.
Hier spiegelt sich die Welt wieder und sicherlich wird der eine oder andere Leser oder die Leserin irgendwelche klitzekleinen Parallelen aus diesem nieder geschriebenen Gedankenhorror zu seinem bisherigen Leben wieder finden. Lieber Dirk, ich freue mich auf weitere Schaffenswerke von Dir…
Lieben Gruss
yours Luke
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Erscheinungs-Datum: 1. Auflage – 14.02.2008
Format: Taschenbuch, 255 Seiten
ISBN: 978-3-86608-060-7