22. und 23. August 2018
Rümlang – Zürich
Webseite: Zürich Openair
Bilder vom:
Mittwoch 22. August 2018
Donnerstag 23. August 2018
Wenn es um das Thema Zürich Openair geht, dann hört man oft viel Negatives. Die Leute seien mega versnobt, alles sei viel zu Schicki Micki, es komme keine Stimmung auf und so weiter und so fort. Es ist definitiv nicht überall das beliebteste Festival der Schweiz. Trotzdem fährt es Jahr für Jahr ein hochkarätiges Line-up auf und wagt es, auch unkonventionelle Acts zu buchen, welche man durch den Sommer nicht auf jeder zweiten Openair Bühne zu sehen bekommt. Weil auch dieses Jahr wieder einige Perlen im Line Up zu finden sind, habe ich mich also dazu entschieden, mir nach 2012 dieses Jahr mal wieder selbst ein Bild dieses Festivals zu machen. Spoiler: So doof ist es da gar nicht.
MITTWOCH
Als ich kurz nach Einlass aufs Festivalgelände komme, ist da noch sprichwörtlich tote Hose. Der positive Aspekt daran: Ich muss am Eingang nicht anstehen und auch beim Stillen des Hungers war ich selten so schnell an einem Festival. Nun gut, es ist ja auch Mittwochnachmittag und noch ziemlich früh. Die meisten Besucher werden noch auf der Arbeit sein. Ich drehe also eine Runde über das Festivalgelände und bin entzückt. Mit viele Liebe zum Detail wurden die Foodstände, Festzelte und Sitzmöglichkeiten gestaltet und ich fühle mich augenblicklich sehr wohl. Das Personal an den Bars und Foodständen ist freundlich und hat oft ein Lächeln für mich übrig. Alles sehr entspannt wie ich finde. Nachdem ich mich gestärkt und mir einen Überblick verschafft habe, gehts rüber zur Mainstage. Auf dieser gehen gerade Klain Karoo zu Werke. Ihr Synthpop, getragen von der Stimme von Sängerin Carla kommt bei der versammelten Menge an. So wird schon ein bisschen getanzt. Viele sehen sich das Ganze aber dann doch lieber von einem Platz im Schatten an, denn es ist (noch) heiss an diesem Mittwochnachmittag. Und heiss ist es auch in der Zelt Stage, wo nach Klain Karoo mit Don’t Kill The Beast eine weitere Schweizer Band auf der Bühne steht. Deren Indie-Sound, der an The Kooks erinnert, mag mich in diesem Augenblick aber nicht so recht packen. Also drehe ich nochmals eine Runde über das Gelände und lasse das Zürich Openair auf mich einwirken. Der Platz füllt sich langsam. Ich schaue bei Tom Grennan rein, der das Publikum mit seinem Singer/Songwriter Folk in seinen Bann zieht. Er spielt eine solide Show und zeigt sich zwischen den Songs mit Ansagen in breitestem British Accent von einer sehr sympathischen Seite.
Da die Mainstage und die Tent Stage nur ein paar Meter auseinander liegen, kann man nach den Konzerten immer schön switchen. Nach Tom Grennan gehts für mich also wieder ins Zelt zu King Tuff. Vorweg: Outfit-technisch hat der Herr aus Vermont an diesem Abend definitiv gewonnen. In einem Weiss-Schwarz gestreiften Anzug, Brosche, Trucker Cap und Sonnenbrille steht er auf der Bühne und sieht dabei unglaublich cool aus. Und cool ist auch die Musik, die er da oben mit seiner Band fabriziert. Irgendwo zwischen Garage Rock, Indie und dem Sound der 60er und 70er sind die Songs einzuordnen. King Tuff und seine Band spielen ihr Set tight runter und das Publikum dankt es ihnen mit entzücktem, wenn auch noch etwas verhaltenem Beifall. So haben die drei Mädels und die beiden Jungs sichtlich Spass.
Nach King Tuff warten auf der Mainstage schon die Indie-Schwergewichte von The Vaccines. Der Platz davor ist jetzt gut gefüllt, was auch nicht verwundert, denn die Band bringt pure Energie auf die Bühne. In Adidas-Trainerhosen und Sowjet-Shirt turnt Sänger Justin Young über die Stage und gibt den Entertainer. Die Menge dankt es ihm mit ersten Tanzeinlagen. Spassig. Allerdings kann ich mir nicht die gesamte Show ansehen, denn im Zelt wartet mein erstes Festival-Highlight. Also noch schnell aufs Klo, Bier holen und ab in die vorderste Reihe, wo bereits einige Leute stehen, in freudiger Erwartung auf The War On Drugs. Ich komme gerade rechtzeitig, denn nach mir füllt sich das Zelt ziemlich schnell. Der Grund dafür erschliesst sich mir augenblicklich, als die Herren aus Philadelphia die Bühne betreten. Mit Ihrem Mix aus Indie, Folk Rock und einer Prise Shoegaze ziehen The War On Drugs das Publikum vom ersten Ton weg komplett in ihren Bann, mich inbegriffen. Das ist allererste Sahne. Mit Gitarren, Bass, Keys, Drums und Blasinstrumenten erschafft das Sextet um Sänger und Leadgitarrist Adam Granduciel Klanglandschaften, die ihresgleichen suchen. In Songs wie „Pain“, „Strangest Thing“ oder „Red Eyes“ bauen Sie Melodien auf, die direkt ins Herz treffen. Das Publikum dankt es mit tosenden Beifallsstürmen. Für mich eines der absoluten Konzert-Highlights des Jahres.
Danach ist auf der Mainstage der Mittwochs-Headliner an der Reihe. Imagine Dragons schaffen es aber nicht, mich zu überzeugen, zu wenig Ecken und Kanten hat das ganze für mich. Aber das ist schlussendlich Geschmackssache. Den Leuten vor der Bühne scheint es jedenfalls zu gefallen, und das ist schlussendlich die Hauptsache.
DONNERSTAG
Heute ist bereits der erste Act eines meiner persönlichen Must-Sees am diesjährigen Zürich Openair. Der Zürcher Dancehall-Musiker Stereo Luchs darf auf der Mainstage den Festivaltag eröffnen und besonders nach seinem grossartigen Album „Lince“ und der Show am Openair Wipkingen dieses Jahres weiss ich, dass ich mir diesen Herren nicht entgehen lassen darf. Doch es kommt anders. Den just als Stereo Luchs beginnen soll, zieht ein Unwetter auf. Die Besucher werden gebeten, Unterschlupf zu suchen. Das Programm wird derweil unterbrochen. Bis auf einen kurzen Regenschauer zieht das Gewitter zum Glück aber vorbei. Das heisst dann allerdings, dass Stereo Luchs nur noch 20 Minuten bekommt. Seine Show ist wieder wie erwartet sehr gut, aber 20 Minuten sind schon gar kurz und so bleibt ein enttäuschendes Gefühl zurück, als Stereo Luchs die Bühne wieder verlässt. Schade!
Der nächste Act auf der Hauptbühne heisst Leyya, kommt aus Wien und spielt Electro Pop. Der Sound ist extrem catchy und die Songs gehen gut ins Ohr. Allerdings scheint es zwischen den Songs bei den Ansagen immer etwas, als stünde Sängerin Sophie Lindinger kurz davor, einzuschlafen. Mehr Energie gibt’s dann bei Incubus. Sie lassen den Crossover der 90er und frühen 2000er wieder aufleben und geben neben ihren eigenen Hits wie „Megalomaniac“, „Drive“ und „Love Hurts“ auch ein Pink Floyd Cover zum Besten. Solider Auftritt.
Im Zelt wird es danach psychadelisch. Die Band mit dem allerbesten Bandnamen ist nun an der Reihe: King Gizzard & The Lizard Wizard. Insgesamt zu siebt stehen die Australier auf der Bühne, zwei von Ihnen sind für den Rythmus zuständig. Sind wir ehrlich: Zwei Schlagzeuger sind meist nicht unbedingt nötig, aber trotzdem verdammt cool! Während auf die Videowand hinter der Band Visuals projiziert werden, welche aus einem LSD-Trip zu entspringen scheinen, spielen sich King Gizzard & The Lizard Wizard in andere Sphären. Höhepunkte sind das repetitiv-eingängige „Rattlesnake“ oder „Muddy Water“. Und wer behauptet, am Zürich Openair gehen die Leute nicht ab, wird eines besseren belehrt. Denn die Menge kocht und ich habe schon kleinere Moshpits gesehen. Ein weiteres Festival-Highlight? Check!
Auf der Mainstage wartet im Anschluss der Grund, warum praktisch alle hier zu sein scheinen: US-Rapper Kendrick Lamar hat sich den Headliner-Slot am ZOA-Donnerstag ergattert. Kein Wunder also, dass der Platz vor der Bühne gepackt voll ist. Leider gelingt es Kendrick Lamar aber nicht, mich zu catchen. Irgendwie ist das Ganze zu inszeniert. Es könnte aber ganz einfach am Sound liegen, denn sein Mikrofon ist konstant zu leise. Weiter vorne scheints aber wesentlich besser zu sein. Das Publikum ist Textsicher und rappt und singt Hits wie „Humble“, „Swimming Pools (Drank)“ oder „B**** Don’t Kill My Vibe“ inbrünstig mit. Sollte ich nochmals die Gelegenheit bekommen, diesen Herren live zu sehen, ich werde ihm die Chhance geben.
Nach Kendrick Lamar ist dann aber fertig lustig. Denn just als der Kalifornische Rapper von der Bühne gegangen ist, bricht ein Unwetter auf das Festival herein, das seinesgleichen sucht. Alle, die nicht schnell genug Schutz gesucht haben, werden innerhalb von Sekunden klatschnass und alle flüchten schnell ins Trockene. Was für ein Abschluss des zweiten Festivaltages!
Text: Ivo Arztmann
Bilder: Anna Wirz
MITTWOCH
DONNERSTAG