Datum: 12. April 2013
Ort: Kaufleuten – Zürich
Bands: Woodkid
Wie ein Cabaret-Theater der 20er Jahre anmutend liegt das Kaufleuten im Halbdunkel. Sanft schimmern gedämpfte Lampen auf rot samtene Vorhänge. Durch den in der Luft liegenden Nebel pulsiert kaum hörbare Musik . Auf der Bühne sind die Umrisse von grossen Trommeln und einer Tuba erkennbar. Nahtlos erhebt sich aus der sanft wiegenden Einlassmusik das dröhnend eröffnende Ostinato der Blechbläser, während auf den Bühnenhintergrund eine imposante Kirche projiziert wird.
Unter grossem Applaus betritt Yoann Lemoine die Bühne: Mit Goldkette, Baseball-Cap und typischer Körperhaltung bildet sein Hiphop-Habitus von Anfang an einen Kontrast zur heroischen Klang- und Bildkulisse des Abends – eine charmante Kombination. Sympathisch führt der Sänger und kreative Häuptling von Woodkid auf französisch durch den Abend. Seine Ansagen versprühen gute Laune und ehrliche Freude.
An das neutönerisch instrumentale Zwischenspiel „Falling“ schliesst sich „Where I Live“ an. Lemoine’s sonore Stimme hält, was sie auf dem Studioalbum versprochen hat. Eine luftige, eine soulige, vor allem eine unverkennbare Stimme gibt den Songs ihre Sprache.
Eine unheilschwangere Quinte der Tuba im verklingenden Song öffnet die Tür zur Woodkid-Welt und macht gespannt auf den Abend. In einem gut durchdachten Set liefert die Band nahezu das gesamte Album „The Golden Age“ ab. Dazu sind sie mit drei Blechbläsern, zwei Perkussionisten, einem Pianisten und viel Elektronik angetreten – der Rest kommt vom Band. Damit bieten sie sowohl das live-Erlebnis als auch den epischen Sound eines grossen Orchesters; abgesehen von ein paar kleinen intonatorischen Schlenkern im einleitenden Choral zu „Stabat Mater“ überzeugen die Musiker sehr. Ein besonderes Erlebnis ist es, die Musiker beim spielen der Synthie-Parts des „Boat Song“ zu beobachten. Da sage noch jemand, Elektronik sei unorganisch!
Der dramaturgische Bogen führt über die vielen Balladen im Klavierorbit, in denen es immer wieder perkussiv auflodert, über den Sakral-Peak „Stabat Mater“ zu einer schweisstreibenden Tanzsequenz; mit ihrem Hit „Iron“, den Snare-Kaskaden von „Conquest Of Spaces“ und der Western-Koketterie „The Great Escape“ bringen Woodkid das Kaufleuten zum kochen! Ausgelassene Stimmung auf und vor der Bühne; ja, sogar auf dem Rang wird gehüpft.
Die geschlossene Ästhetik des Abends beeindruckt: So wie die Musik zwischen innigen Passagen und ausufernder Theatralik mäandert, wechselt sich eine intime Beleuchtung mit den monumentalen Projektionen ab. Selbst die Schatten der Musiker scheinen mitinszeniert zu sein. Die Bilder zeigen Kirchenschiffe, Wellen und Mosaike: Mikro- und Makrowelten ganz in der Ästhetik der Woodkid-Video-Clips. Alle Instrumentalisten tragen Schwarz, der Sänger ist in ein graues T-Shirt gehüllt und es wird ausschliesslich weisses Licht benutzt. So entsteht diese geheimnisvolle Schwarz-Weiss-Welt, die diese Clips so hermetisch und gleichzeitig so offen macht. Und was für ein Effekt, als im Intro zu „The Other Side“ auf einmal die ganze Bühne in rotes Licht getaucht wird!
Schon nach 75 Minuten ist der Zauber vorbei und das kunterbunte Publikum strömt hinaus in die erste Frühlingsnacht, die diesen Namen verdient. Viele Eindrücke bleiben im Kopf; Lemoine’s ergreifender Ton bei den Balladen, sein oft fast schüchterner Blick ins Publikum, die wuchtigen Beats, der bärtigen Schlagzeuger und und und… Es hat alles gestimmt. Ein bisschen fühle ich mich, als hätte ich einen guten Film gesehen.
Text: Dennis Bäsecke