18. September 2019
Volkshaus – Zürich
Bands: Wilco / Ohmme
Der Blätterwald war der Reduktion gewichen, einzelne Scheinwerfer und ein schwarzes Tuch hinter den Musikern – der Auftritt der amerikanischen Folk-Rocker-Band Wilco war eine spartanisch ausgestattete und auf das Wesentliche beschränkte Begegnung, in der die Herren ihr elftes und am 4. Oktober erscheinendes Album „Ode To Joy“ ohne Schnickschnack aufleben liessen. Die Jubelschreie gehörten für einen Mittwochabend lang nicht dem Brimborium, sondern den fantastisch verschlungenen Gitarrenmelodien, den emotionalen Gesängen und der Ruhe, in der die meisten Lieder dieser Truppe Zuhause sind.
Von dem Punkt aus startete das Trio Ohmme im Vorprogramm, welches 2014 von Macie Stewart und Sima Cunningham gegründet wurde. Aus Chicago stammend, zeigten die beiden Musikerinnen mit ihrem Schlagzeuger, dass Indie-Rock nicht zwischen ruhigen Überlegungen und spassigen Ausbrüchen entscheiden muss – ihre Lieder suhlten sich in beiden Stimmungen. Ob wild beim Cover von den B 52s oder süsslich bei Eigenkompositionen, was zuerst unscheinbar tänzelte wurde zu einem nachhaltig glücklich machenden Auftritt.
Besonders Freunde und Liebhaber der Saiten fanden im Volkshaus in Zürich an diesem Tag immer wieder Gründe, den Herzschlag intensiv zu spüren. Ohmme lebten sich mit verzweigten Akkorden und effektreichen Anschlägen aus, Wilco holten in der zweiten Hälfte ihres Auftritts gar ein doppelhalsiges Instrument auf die Bühne. Nels Cline mit flinken Fingern, dann wieder mit lange nachhallenden Einzeltönen – gefühlvoll wie die Lieder der Americana-Indie-Rocker. Und immerzu erwärmend, wie die schmunzelnden Ansagen von Frontmann Jeff Tweedy, hinter Bart und Hut versteckt.
Was 2016 noch ein verwunschen anmutendes Konzert war, das ist drei Jahre später eine fast nackte Konfrontation mit den Kompositionen und Texten von Wilco. Tweedy ist nicht nur mit „Ode To Joy“ in den Medien, sondern auch seiner Biografie und den zitierten Aussagen, die persönlichen Geistern mit seiner Musik besiegen zu wollen. Das gelingt klar am besten, wenn sich die Amerikaner mit einem Publikum umgeben und „Love Is Everywhere (Beware)“ als Mantra von vielen Kehlen begleiten lassen. Wie im Volkshaus, wie mit dem perkussiven Beben bei „Via Chicago“, wie mit den packenden Repetitionen bei „Random Name Generator“.
Eine Tour zu einem noch nicht erhältlichen Album zu spielen, das bot natürlich eine gute Gelegenheit, den gesamten Katalog zu betrachten. «Bull Black Nova“ zog zu den Anfängen, „If I Ever Was a Child“ als einziger Moment zum letzten Werk „Schmilco„. Kurze und pointierte Liebkosungen gaben den langgezogenen „Demolierungen“ die Hand, immer wieder wurde der Auftritt in Zürich eine klangliche Wucht. Eingelullt in perfekt gespielte Lieder, in das Talent dieser sechs Mannen, in die wunderschönen Feinheiten von Wilco – so verliess man den Theatersaal und entschwand in die Nacht.
Setlist [Quelle: Setlist.fm]
1. Bright Leaves
2. Before Us
3. Company in My Back
4. War on War
5. One and a Half Stars
6. If I Ever Was a Child
7. Handshake Drugs
8. Hummingbird
9. At Least That’s What You Said
10. White Wooden Cross
11. Via Chicago
12. How to Fight Loneliness
13. Bull Black Nova
14. Random Name Generator
15. Reservations
16. Impossible Germany
17. Love Is Everywhere (Beware)
18. Box Full of Letters
19. Everyone Hides
20. Dawned on Me
21. Jesus, Etc.
22. Theologians
23. I’m the Man Who Loves You
Zugabe
24. Misunderstood
25. Hold Me Anyway
26. California Stars
27. The Late Greats
Text: Michael Bohli
Bilder: Christian Wölbitsch