Marktplatz – Lörrach
Donnerstag, 13. Juli 2023
Text: Torsten Sarfert
Lädt man Danger Dan ein, ist das immer auch ein politisches Statement. Nicht anders an diesem zweiten Tag des Stimmen Festivals auf dem Lörracher Marktplatz. So politisch subtil wie beim Einspieler von Hildegard Knef’s „Für mich soll’s rote Rosen regnen“ blieb es dann jedoch nicht.
Als wäre der Auftritt Danger Dan’s mit gereckter Faust, roter Bomberjacke und roten Doc Martens nicht Statement genug, ruft er nach dem umjubelten Einstieg mit dem grossartigen „Lauf Davon“ alle potenziell im Publikum befindlichen „Rassisten, Sexisten, Faschisten, Querdenker und sonstige Arschlöcher“ dazu auf, doch bitte das Festivalgelände zu verlassen. Sie seien hier nicht erwünscht. Erwartungsgemäss verliess niemand den Platz und das Konzert konnte solidarisch entspannt weitergehen.
Leichte Kost präsentierte der Träger des deutschen Kleinkunstpreises 2023 allerdings auch in Folge nicht. Dennoch schaffte er mit einer guten Portion Optimismus und gewitzten Anekdoten, scheinbar mühelos den Spagat zwischen ernsthaften Themen und satirischem Comic Relief. Das charismatische Antilopengang-Mitglied hatte den prall gefüllten Marktplatz mit jedem Ton und jedem Wort fest im Griff. Selbst als er nach Georg Kreislers „Meine Freiheit, Deine Freiheit“ und einer hochemotionalen Einleitung kurzzeitig für seine Mitmusiker:innen des Heck Streich-Quartetts die Bühne räumte, liess die Aufmerksamkeit nicht nach. Im Gegenteil: Zur Gänsehaut erzeugenden Instrumentalversion von Hans Draches „Mein Vater wird gesucht“, wurde die ein oder andere verstohlene Publikumsträne verdrückt.
Mit den jetzt vereinten, kammermusikalischen Kräften erlaubte man sich nun auch mal den ein oder anderen liebevollen Scherz zu Lasten der zweiten Geige, verprügelte Sextouristen in Bangkok (mit Penelope Cruz) oder gab jemanden gern mal „Eine auf’s Maul“. In zwei Teilen wurde an die „Private Altersversorgung“ gedacht und die Textsicherheit des Publikums bei „Das ist alles von der Kunstfreiheit gedeckt“ getestet.
Der Wahlberliner aus Aachen versetzte das begeisterte (und übrigens erfreulich diverse) Publikum dabei musikalisch in eine „Babylon Berlin“-ähnliche Atmosphäre, mit all der Lebensfreude und all den auch heute noch am Horizont dräuenden dunklen Aussichten. Versöhnlich bleibt am Ende aber doch „Eine gute Nachricht“:
„Ich hab‘ ’ne gute Nachricht und ’ne schlechte auch
Zuerst die schlechte: Wir zerfall’n zu Staub
Wir werden zu Asche, kehren in das Nichts
Zurück, aus dem wir alle einst gekommen sind
Und jetzt die gute: Heute nicht.“
Zum Abschluss des tiefsinnigen und hoch sympathischen Auftritts bleibt Paul Kuhn mit seinem finalen Einspieler nur noch eine bescheidene Aufforderung: „Geb’n se dem Mann am Klavier noch en Bier.“ Man gönnt es Danger Dan von Herzen. Ebenso wie die roten Rosen.
Das Stimmen Festival geht noch bis zum 30.07.2023 und bietet an unterschiedlichen Locations in Deutschland und der Schweiz ein gut kuratiertes Programm aus internationalen Stars, Newcomern und lokalen Künstler:innen. Sehr attraktiv sind auch kostenlose Workshops, wie zum Beispiel „Melodie und Rhythmus mit nur einer (Gitarren-)Saite mit Brushy One String“.
Setlist
- Lauf davon
- Ode an den Mord
- Topf und Deckel
- Ingloria Victoria
- Das schreckliche Buch
- Meine Freiheit, deine Freiheit
- Mein Vater wird gesucht
- Ölsardinenindustrie
- Ich verprügelte die Sextouristen in Bangkok
- Eine aufs Maul
- Private Altersvorsorge
- Private Altersvorsorge 2
- Mingvase
- Trotzdem
- Das ist alles von der Kunstfreiheit gedeckt
Zugaben
- Die Verwandlung
- Eine gute Nachricht
- Tesafilm