19. April 2019
Palace – St.Gallen
Band: Stahlberger
„Dini zwei Wänd„, eine Albumtaufe auf zwei Abende verteilt. Die beiden Heimspiele von Stahlberger finden im St.Galler Palace statt und ein bisschen begleitet einen dabei schon auch der Gedanke, was genau „Heim“ bedeutet. Dabei geht es weniger um Identität oder um Herkunft, sondern mehr um das, was man für sein eigenes Zuhause hält. In der Schweizer Musikszene fühlten sich viele lange erst dann in diesem undefinierbaren Genre Mundart heimelig, wenn Berndeutsch gesungen wurde. Stahlberger fordern mit St.Galler Dialekt schon länger mehr als nur das heraus. Abstrakt, verschroben, anspruchsvoll.
Bevor die Band am Karfreitag zum ersten der beiden Konzerte die Bühne betrat, las Philipp Theison Geschichten „Vom Tag denoh“. Zukunftsvisionen, unterlegt mit einem Rauschen aus postmodernen Störgeräuschen, die wenig mitreissend mehr vorgelesen als erzählt werden. Stahlberger starteten danach ihr Set mit einem der besten Songs des Taufkindes: „Chline Kreis“ vereinte bereits gut, was an diesem Abend noch folgen würde, dies wurde auch nach diversen Rückblicken in die musikalische Vergangenheit deutlich. Denn die zunehmenden elektronischen Stilmittel waren eigentlich nicht überraschend, wenn man frühere Lieder wie „Tanze“ hört. Als Manuel Stahlberger nach den ersten drei Songs anmerkte, dass schon eine gewisse Nervosität vorhanden sei, nimmt er auch vorweg, warum der eine oder andere Song noch etwas hüftsteif ins Palace entlassen wurde. Das fehlende Knistern lag aber nicht daran, sondern am Publikum, dem als ziemlich schwatzhaften Paten irgendwie der Fokus auf das Wesentliche fehlte. Ein bisschen Stimmung kam erst gegen Ende mit dem „Klimawandel“ auf, für mehr als ein zaghaftes Mitsingen reichte es dann aber doch nicht.
Die Band liess sich weder davon noch von anderen Dingen beirren, sei es die Wahl des Bühnenoutfits von Manuel Stahlberger (Rollkragenpullover), ein defektes Kabel an einer Gitarre, das kurzerhand ausgewechselt wurde, oder der etwas holprige Start in „Schäbikon“. Man herzte sich auf der Bühne immer wieder, eine Champagnerflasche lugte ab und zu hervor und es gab keinen Grund zur Hektik – unter anderem auch darum, weil aufgrund elektronischer Samples nicht immer Vollbeschäftigung herrschte. Dass in dem etwas zahmen Konzertabend durchaus mehr Zündstoff gesteckt hätte, im Rahmen einer Plattentaufe zuhause mit einer Band, die Kritisches zu sagen hat, gerade über das Leben in einer Schweizer Kleinstadt wie St.Gallen, liess sich nur erahnen.
Dies auch trotz Songs wie „Chline Fisch“, der als Höhepunkt auf Platte wie live aus einer Sammlung herausstach, bei der ungeachtet der musikalischen Wandlung von Stahlberger kaum etwas wie ein Fremdkörper wirkte. Schon gar nicht das Liedgut des neuen Albums „Dini zwei Wänd“, das – obwohl gerade erst getauft – bereits zu einer stattlichen Grösse angewachsen ist. Zu behaupten, dass das Publikum dem nicht Rechnung tragen wollte, wäre sicher nicht korrekt: Das Palace war an diesem Abend ausverkauft, der Aufgalopp gelungen und die örtlichen Kulturinteressierten machten Stahlberger ihre Aufwartung. Es gilt halt immer den Kontext zu berücksichtigen: „Du seisch Heimat isch e grosses Wort/ Isch Heimat e Gfühl?/ Oder isch es echt en Ort?“.
Text: Michael Messerli