Les Docks – Lausanne
Dienstag, 31. Mai 2022
Text: Michael Bohli + David Spring
Das neue Album von Sigrid aus Norwegen heisst «How To Let Go» und ist ein Pop-Wunderwerk, doch können unsere zwei rasenden Reporter David und Michael ihre Vorurteile und Hörgewohnheiten loslassen? Am Dienstagabend wurde dies geprüft, beim Konzert in Les Docks Lausanne. Zuerst gab es allerdings Indie-Pop aus London, gespielt von Thomas Headon.
David: Wir haben soeben Thomas Headon gesehen und es war überraschend gut. Mir hat es gefallen. Ich hatte null Erwartungen und die wurden nicht untertroffen.
Michael: Dass Null Erwartungen nicht untertroffen werden, ist ein gutes Zeichen. Vielleicht.
David: Was mich als Musikpurist etwas störte, waren die vielen Backtracks. Trotz der gut aufspielenden Liveband.
Michael: Mit dem «Punk»-Drummer, der gefühlt vier Mal so alt war wie der Rest der Jungs. Bezüglich Mitmusiker fand ich es wunderbar, wie der Bassist logischerweise aus der Reihe tanzte. Thomas kam in einem Blur-Longsleave auf die Bühne, der Schlagzeuger mit einem Shirt und der Bassist im Anzug. Ich fand es ebenfalls gut, doch der 2000er-Jahrgang macht mich etwas fertig.
David: Es gibt bestimmt Leute, die durch diesen Künstler die Freude am Spielen entdecken. Ich könnte mir schlechtere Einstiegsdrogen vorstellen. Zusätzlich sprach er viel Französisch.
Michael: Nicht zu vergessen: Big shout out to Taylor Swift!
David: Das war ja peinlich, dass wir «We Are Never Ever Getting Back Together» anhand des Textes googeln mussten.
Michael: Wir halten besser geheim, dass ich zuerst dachte, der Song sei von Avril Lavigne.
David: Genau. Auf jeden Fall war es ein guter Aufheizer für die folgende Dame. Wir werden sehen, ob wir «the time of our life» haben werden.
Euphorisch wankten die Reporter nach dem Konzert aus der Halle. Ob es nur am gezapften Gerstensaft lag?
Michael: Wir haben soeben den Auftritt von Sigrid miterlebt. David, wie war es?
David: Total scheisse. Sie spielte nichts von Slayer oder norwegischen Black Metal-Bands. Nonsens, das Konzert war richtig, richtig geil.
Michael: Ich würde sogar sagen, das Konzert gehört in die diesjährige Top Fünf.
David: Auf jeden Fall. Das liegt in erster Linie darin, dass Sigrid eine Live-Band hat, die unglaublich gerockt hat.
Michael: MVP war klar die Bassistin Liva Austad Sværen. Sie war grossartig.
David: Von der ersten Sekunde her hatte ich den Eindruck, dass ich eine Band erlebe und keine Solokünstlerin. Sigrid und ihre Lieder sind natürlich auch fantastisch. Das bewies sie mit einer Piano-Einlage ohne Begleitung. Sie lebte alle ihre Songs auf der Bühne.
Michael: Für mich war der springende Punkt, dass sie ihre Musik weiterhin liebt, dazu tanzt und mit den Leuten Spass hat. Wunderbar war, dass sie «Head On Fire» gespielt hat, ihre Zusammenarbeit mit Griff. Das Lied durfte ich bereits Mitte Mai im Hallenstadion erleben, als Griff bei Dua Lipa den Support machte. Heute Abend allerdings war das Stück eine grosse Party.
David: Die Atmosphäre war wirklich sehr gut, das Publikum hatte viel Freude und war immer mit dabei. Die Interaktion zwischen den Leuten und Sigrid war ebenfalls super, ohne nach jedem Song animieren zu müssen. Dazu die Lausanne-Anekdote, ihre Eltern wohnten noch vor Sigrids Geburt in der Stadt.
Michael: Genau dieser Aspekt zeichnet die Künstlerin aus. Sigrid wird überall als die neue Pophoffnung deklariert und nach diesem Auftritt muss ich sagen: Ja, das stimmt.
David: Absolut. Ich hatte mehrmals während der Show den Gedanken, dass Popmusik heute genau so sein sollte.
Michael: Dazu kommt, dass Sigrid komplett authentisch und unvoreingenommen auftritt. Sogar «Bad Life», auf dem Album eine Kollaboration mit Bring Me The Horizon, fand ich heute fantastisch.
David: Sie ist wahnsinnig talentiert. Ihre Stimme, wow. Dazu die Professionalität, welche sie beim Gesang an den Tag legt.
Michael: Gleichzeitig ist sie greifbar, baut während dem Singen immer wieder Jauchzer ein, das wirkt super. Und wir dürfen es gerne nochmals erwähnen: Ihre Band ist top!
David: Ohne die Musiker:innen hätte es niemals den Effekt gehabt, den wir heute erlebt haben.
Michael: Also liebe Leute, falls ihr in Zukunft die Möglichkeit habt, Sigrid live zu erleben, macht es. Auch wenn ihr sonst nur Metal hört. Es lohnt sich. Und schaut während der Show in ihr Gesicht. Ihre strahlende Freude ist ansteckend.
Setlist [Quelle: Setlist.fm]
1. It Gets Dark
2. Burning Bridges
3. Risk of Getting Hurt
4. Sucker Punch
5. Thank Me Later
6. Dancer
7. Head on Fire
8. Home to You
9. Mistake Like You
10. A Driver Saved My Night
11. High Five
12. Plot Twist
13. Don’t Kill My Vibe
14. Bad Life
15. Strangers
Zugabe
16. Grow
17. Don’t Feel Like Crying
18. Mirror