3. Mai 2019
Plaza – Zürich
Bands: Ryan Bingham / Soham De
Die Setliste hatte schon einige Ringe vom Whiskeyglas, der Schatten des Musikers mit seinem Hut lag über den Mundharmonikas. Etwas zögerlich wurde der letzte Song des regulären Konzertteiles angekündigt – ganz leicht seien gewisse Lieder halt nicht zu spielen. Alleine der Gedanke, einen Joint mit dem Dude geteilt zu haben, das versetzt den amerikanischen Liedermacher wohl immer wieder in andere Welten. Kein Wunder, bricht der Gesang während „The Weary Kind“ kurz ab, diese Hits werden für Ryan Bingham immer tief persönliche Geschichten und Momente sein. Das vertuschte auch der verschmitzte Gesichtsausdruck nicht.
Wobei man beim Künstler aus New Mexico nie ganz sicher sein konnte, wie wahr die erzählten Geschichten zwischen den Liedern nun waren. Ja, Ryan Bingham hat ein bewegtes und schwieriges Leben hinter sich – da konnten die Besucherinnen und Besucher des Plaza Clubs in Zürich nur immer wieder ungläubig lauschen und lachen. Dank seiner offenen und unverblümten Art lag hinter jedem Satz aber auch ein Witz, oder eine geeignete Übertreibung. Denn perfekt begleiteten die Anekdoten die Lieder, wunderbar wurde in «Long Way From Georgia» übergeleitet.
Was diesen Auftritt nicht nur familiär und intim gestaltete, sondern zu einem emotionalen Erlebnis. Mit seinem Charme und nahbaren Auftreten sorgte Bingham nicht nur beim weiblichen Teil des Publikums für glänzende Augen und schwärmende Worte nach dem Konzert. Dieser Singer-Songwriter ist auf der Bühne eine Wucht, er trifft wunde Punkte und sorgt für Besserung. Ob beim aktuellen, politischen Weltgefühl („God Damn Blues“) oder bei Überlegungen, welche jeder schon einmal gemacht hat („Tell My Mother I Miss Her So“) – die Gemeinschaft wurde gestärkt.
Er fühle sich in Zürich immer sicher und gut, hier sei man ehrlicher und offener als an vielen Orten in der Welt. Aber wie könnte man diesem Mann auch mit negativer Einstellung begegnen, seine Art ist entwaffnend. Da fehlten weder die Band noch die geliebten Songs, da wurde das Soloprogramm von Ryan Bingham mit Mariachi-Song und einigen neuen Stücken des Albums „American Love Song“ zum vollen Erfolg. Wild-West-Luft, hart angeschlagene Stahlsaiten, die Hutkrempe tief im Gesicht – was vor einigen Jahren im Bogen F funktioniert hatte, das verzauberte im Plaza noch mehr.
Kein Wunder liess er sich bei der Zugabe dazu hinreissen, den vom Publikum gewünschten „Nobody Knows My Trouble» zu spielen, kein Wunder wollte er fast nicht mehr von der Bühne. Schade, beanspruchten danach die jungen Leute den Club für eine Party – was Ryan Bingham mit einem typischen Lachen hinnahm. Sollen sie doch hereinkommen, dann tanzen wir alle gemeinsam. Wie es sich eigentlich gehörte.
Etwas zaghafter, aber nicht weniger charmant leitete Soham De aus King’s Lynn in England den Abend in Zürich ein. Akustische Gitarre und leicht raue Stimme, die Nähe zum Vorbild aus Amerika war klar vorhanden. Mit seinem jungen Alter waren zwar die Texte noch weniger treffend und ästhetisch ausformuliert, die Melodien rissen aber schnell mit und boten den perfekten Boden, um sich auf einen Abend voller Kleinode und Gefühle einzustimmen.
Text: Michael Bohli