Datum: 19. Mai 2012
Ort: Dynamo – Zürich
Bands: Project Pitchfork / Metallspürhunde
Ein vielversprechender Synthesizer-Aufbau inklusive Theremin, sowie hochwertige elektronische Musik zur Einstimmung erwarten das Publikum im grossen Saal des Dynamo. Um kurz nach neun betreten die Metallspürhunde die Bühne und liefern ein einstündiges solides Set ab. Obschon man den Eindruck hat, dass Sänger Michel Frasse, der mehrmals Ausflüge ins überwiegend passive Publikum unternimmt, rechte Überzeugungsarbeit leisten muss, heizt sich die Stimmung im Saal im Laufe des Auftrittes zunehmend auf. Mit Anonymus-Maske (ein wohlwollendes Raunen geht durch die Menge) und einem Bündel Spiel-Geld-Noten der „Hell-Bank“, die als Hostien ans Publikum verteilt werden (Huldigt eurem neuen Gott), ziehen die Metallspürhunde alle Register. Dennoch lassen sich nicht alle Anwesenden anstecken und Skepsis spiegelt sich in manchem Blick. Am überzeugendsten sind die Songs, in denen Marion Altwegg zum Mikrophon greift. Wie zum Beispiel das „Die Sterne-Cover“ Was hat Dich bloss so ruiniert. Eine kleine persönliche Anmerkung: Ich finde es immer schade, ein Instrument wie das Theremin auf die Bühne zu stellen, wenn man es nicht in seinem vollen Potential beherrscht. Man nimmt ja auch kein Cello mit und zupft dann nur auf einer Saite. Allerdings gilt diese Kritik im Bezug auf das Theremin für ausnahmslos jede Band, bei der ich dieses Instrument bis jetzt erlebt habe. Und ein Tip: Spucke nie einen zerkauten Geldschein auf den, der Deine Kritik schreibt.
Um kurz vor elf ist es dann endlich soweit; Eine elektronische Klangwelle durchrollt den Saal, es wird dunkel und kurz darauf erscheinen, in die verheissungsvollen Akkorde des eröffnenden Continuum gehüllt, die ehrwürdigen Herren von Project Pitchfork, heute allerdings ohne Dirk Scheuber. Sie werden mit grosser Begeisterung empfangen. Und dann geht es los: Der rastlose Puls des Sets ist derart dicht, dass man so schnell nicht zu Atem kommt. Auf Timekiller und Lament folgt mit Conjure die ganze Wucht der ersten Stunde und gleich danach mit Run For Cover die Stringenz und Scharfkantigkeit des neuesten Werkes Quantum Mechanics. In Alpha Omega beeindruckt Achim Färber einmal mehr mit einem virtuosen Schlagzeug-Solo. Souls, Endless Infinity, IO; die „kontinuierliche“ Kette der Pitchfork-Klassiker reisst nicht ab – sondern mit.
Die relativ kleine Bühne verleiht Peter Spilles die Möglichkeit sich mit wenig Aufwand auf Augenhöhe des Auditoriums zu begeben. So geniesst er es sichtlich, die dazu einladenden Refrains praktisch gemeinsam mit der, vorwiegend aus jungen Damen bestehenden, ersten Reihe zu zelebrieren, hinter der sich das Epizentrum des Publikums befindet – eine Menge ausgelassen springender, tanzender und pogender Menschen, die sich offenbar schon lange auf diesen Abend gefreut haben und nahezu jede Zeile begeistert mitschmettern, sich jedoch jedesmal höflich entschuldigen, sollten sie einem der Umstehenden auf den Fuss getanzt sein. An diese „Zone“ schliessen sich die obligatorisch gothischen Nacken-Wipper an, zu denen ich mich zählen muss. Es herrscht also eine ausgesprochen gute Stimmung, auch wenn das Publikum nicht ganz so zahlreich erschienen ist, wie man es beim einzigen für 2012 geplanten Konzert in der Schweiz hätte erwarten können. Dies konstatiert auch der sonst eher wortkarge Peter Spilles, als er sich von den Konzertbesuchern wünscht, sie mögen doch beim nächsten mal jeweils noch einen Freund mitbringen. Erinnert man sich an die Bilder anderer Project Pitchfork-Gigs, so ist dies Ausdruck verständlicher Enttäuschung. Trotzdem tut dieser Satz ein bisschen weh. Schliesslich können die Anwesenden ja nichts dafür.
Bei KNKA erreicht das Energie-Niveau eine neue Ebene. Während Jürgen Jansen mit unermütlichen Synthie-Kaskaden den Song unerbittlich voran treibt, tigert Peter Spilles über die Bühne und brüllt der Welt seine Worte um die Ohren. Bei dem Schmerz und der Fassungslosigkeit, die in diesen Versen liegen, erinnert er mich abwechselnd an einen „Protest-Derwisch“ und den Panther aus Rilkes Gedicht. Mit dem Apell „Don`t become like them!“ setzt er seinen “Fullstop“ unter den Song.
Mit The Queen Of Time And Space, Carrion und The Dividing Line mäandern die drei Musiker weiter zielsicher durch die Bandgeschichte und sorgen damit für Gänsehaut und glückliche Gesichter.
Nun bringt Peter schelmisch grinsend das Publikum mit dem Versprechen zum Schweigen, den folgenden Song (Steelrose, wie sich zeigen wird) dann lauter spielen zu können; „Es geht um den Durchschnitt.“ Nach dem OK aus der Tontechnik geht es weiter. Im Chorus von Existence findet der schweisstreibende Abend (insbesondere die Stimmung im oben erwähnten Epizentrum) einen neuen Höhepunkt. Peter wiegt sich in den schwebenden Klängen und lässt sich dann in die eckigen „Existence-Synkopen“ fallen. Nach dem Song verschwinden Project Pitchfork im Hintergrund und werden dann vom Publikum wieder auf die Bühne applaudiert. Als Nachschlag servieren sie Fire and Ice und Rescue um sich dann endgültig zu verabschieden.
Es bleiben Bilder von schwitzenden Leibern im Stroboskop-Gewitter, und die Erinnerung an walzende Beats und Peters existenzielle Schreie im Kopf, wenn man nun die Schritte zum Ausgang lenkt. Es war ein atemloses Konzert, eine überzeugende Performance und nicht zuletzt ein entschiedenes Plädoyer für die Menschlichkeit!
Text: Dennis Bäsecke
Bilder: Chrigu Vogelsang