30. April 2018
Werk21 – Zürich
Band: The Physics House Band
Der erste Mai ist nicht unbedingt der Tag, an dem man gemütlich durch Zürich spazieren will – ausser natürlich, man trägt eine schwarze Sturmmütze und mag die Leichtigkeit von Pflastersteinen. Oder man hat am Abend zuvor spontan das Konzert von The Physics House Band im Werk21 besucht. Das auf vier Mitglieder aufgestockte Trio aus Brighton rauschte nicht nur wie ein unerwarteter Windstoss durch Zürich, sondern überraschte wohl alle Besucher mit ihren wahnsinnigen und ausufernden Songs. Selten erhielt man pro bezahltem Franken eine solche Menge an Klängen.
2011 haben sich The Physics House Band zusammengeschlossen und wollten von Beginn an nicht nur den grauen Himmel und die steinigen Strände ihrer Heimat besingen. Viel lieber stürzen sie sich in Kompositionen, die dem Duracell-Hase die Batterien aus dem Bauch sprengen oder dem Tanzbären die Ketten in Staub zerlegen. Angesiedelt im instrumentalen Bereich zwischen den ehrwürdigen Progvätern, den Kaisern des Jazz und Fusion und modernen Durchgeknallten reizt die Gruppe alle Grenzen aus. So wurden auch in Zürich Lieder auf die wunderbar mitgerissenen Besucher losgelassen, die nicht nur extrem präzise von Wechsel zu Pause sprangen, sondern leichtfüssige Melodien mit brachialen Riffs vermengten.
Klar bestimmt von den ausgelassenen Bewegungen des Bassisten Adam Hutchison legte die Gruppe auf der Bühne eine Darbietung hin, die immer wieder Fragen aufkommen liess: Wie kann ein Mensch solche Lieder auswendig spielen? Und dann jeden Ton perfekt genau in den Takten platzieren? Aber am besten funktionierte das Konzert sowieso dann, wenn man sich mit geschlossenen Augen in die Musik ihres Albums „Mercury Fountain“ gleiten liess und plötzlich den perfekten Tanzrhythmus fand. Sich mit Saxophon, Synthie oder dem extremen Drumming von Dave Morgan anfreundete, und am Ende mit den Gitarreneffekten von Samuel Organ ringte.
The Physics House Band haben das Unmögliche geschafft, sehr komplexe Musik mit viel Spass und Zugänglichkeit im Dynamo vorzustellen und somit Psychedelic-Freaks, Prog-Heads und Jazz-Geniesser gleichermassen zu bedienen. Und die Ehre, ein bisher noch unveröffentlichtes und nie gespieltes Lied erleben zu dürfen, machte diesen Abend noch perfekt. Gerne begebe ich mich wieder einmal superspontan an ein Konzert – das Resultat kann sich hören lassen.
Text: Michael Bohli