Hallenstadion – Zürich
Donnerstag, 23. Juni 2022
Text: Michael Bohli / Bilder: Kathrin Hirzel
Alles hat sich verändert, nichts hat sich geändert. Eine leicht abgewandelte Textzeile von «Corduroy» fasste den Donnerstagabend im Hallenstadion sehr gut zusammen. Ursprünglich war die lang ersehnte Rückkehr der Grunge-Legende aus Seattle für 2020 angekündigt, eine globale Pandemie zwang das Vorhaben in die Knie. Doch sie kamen, sie überwanden die Schwierigkeiten und standen auf den Tag genau 22 Jahre nach ihrem letzten Auftritt in Zürich auf der Bühne: Pearl Jam.
Und was für eine Landung es war, «Release» und «Even Flow» liessen das Stadion gleich zu Beginn explodieren. Mike McCready liess seine Gitarre mit einem minutenlangen Solo glühen, das Publikum sang, hüpfte und reckte die Hände. Was für eine Erlösung, was für ein Rock-Erlebnis. Dass zwischen all den Hits und Klassikern noch einzelne Lieder von «Gigaton» steckten, spielte fast keine Rolle. Zwar wurde die Beleuchtung während «Dance of the Clairvoyants» und «Quick Escape» kunterbunt wild, die Energie schien aber abzuflachen.
Vielleicht waren die Stücke einfach zu neu und konnten sich neben «Daughter» und «Do The Evolution» nicht behaupten – dafür durfte Josh Klinghoffer mitmischen und mit Matt Cameron stellenweise ein Schlagzeug-Doppel bilden. Natürlich war auch Boom Gaspar an den Tasten dabei, zu «Crazy Mary» wurde die obligate Weinflasche ins Publikum gereicht und Eddie Vedder sammelte Fanbriefe und Songwünsche ein.
Dass Pearl Jam beim Zugabenblock keine dieser Hoffnungen erfüllen konnte, machten sie mit einer Darbietung von «Black» wieder wett. Das selten gespielte und von der Fangemeinde stark geliebte Stück liess auch mich vor Emotionen zittern. Direkt ging es in «Alive» über und alle fanden sich im Rock-Himmel wieder. Da merkte man gar nicht, dass nach nur zwei Stunden der Auftritt vorbei war und die Setlist nicht weiter als zur Nummer 20 kam.
Verdichtet war der Auftritt ungemein, mit Ansagen auf Deutsch, Zurechtweisungen von Rüpeln, dem knirschenden «Animal», sieben Beweglichen Lichtelementen, das weite und schöne «Immortality» und vielen Gesangspassagen, die vom Publikum übernommen wurden – wie etwa bei «Jeremy». Lange mussten wir auf Pearl Jam warten, das Wiedersehen war besser als jemals vermutet.
Auch dank der Vorarbeit von White Reaper aus Louisville, Kentucky. Zu fünft tobten sie durch ein kurzes Set aus Garage-Punk-Krachern und zeigten ihre Fähigkeiten. Doppelgitarren, ein Keyboarder, der sich vor Energie fast nicht am Boden halten konnte und eine schweisstreibende Performance. Etwas gross zwar die Bühne und etwas zu weit die Distanz zum Publikum, dafür waren die Lieder druckvoll und der Sound rau. So mögen wir es.
Setlist [Quelle: Setlist.fm]
1. Release
2. Even Flow
3. Corduroy
4. Immortality
5. Dance of the Clairvoyants
6. Quick Escape
7. Daughter (W.M.A. / Leash / Glorified G Snippets)
8. Given to Fly
9. Seven O’Clock
10. Do the Evolution
11. Animal
12. Present Tense
13. In Hiding
14. Jeremy
15. Why Go
16. Crazy Mary (Victoria Williams Cover)
17.Porch
Zugabe:
18. Smile
19. Black
20. Alive