28. Oktober 2018
Kaserne – Basel
Bands: The Notwist / The Amber Unit
„Die Familienachterbahn der Superlative“ leuchtete einem grell ins Gesicht, noch bevor man sich in die Dunkelheit der Reithalle gewagt hatte. Ja, die Herbstmesse pocht wieder vor der Kaserne und scheut sich nicht, mit Floskeln um sich zu werfen – dabei fand die wahre Grösse, die wirkliche Genialität an diesem Abend im geschlossenen Raum statt. The Notwist aus Deutschland besuchten ein weiteres Mal Basel und brillierten nicht nur mit ihrer Musik, sondern auch mit ihrer Handfertigkeit und dem Eigensinn. Da war man mehr als froh, sich doch durch die kalte und feuchte Nacht transportiert zu haben.
Eigentlich wartet man schon länger auf neues Material, auf weitere Auswüchse – denn seit dem Livealbum „Superheroes, Ghost-Villains & Stuff„, welches 2016 erschien, gab es von der Gruppe aus Oberbayern keine neue Scheibe mehr. Grosse Veränderungen gegenüber der Setlist vom wundervollen Konzert in der Roten Fabrik konnte man also nicht erwarten, was bei einem Auftritt von The Notwist aber niemals ein Grund zu Missmut ist. Denn auch altbekannte Stücke werden von Markus Acher und seinen Mannen bei jedem Auftritt leicht abgeändert, umgebaut und erweitert.
„This Room“ mit Reggae-Outro, „Pick Up The Phone“ mit krachenden Gitarrenattacken und lauten Basswänden? Alles war an diesem Sonntag in Basel möglich, die Überraschungen immer wieder richtig gesetzt. Denn auch Alteingesessene standen mit offenen Mündern da, das Staunen über die Fähigkeiten von The Notwist kennt auch 29 Jahre nach der Bandgründung keine Grenzen. Und aus diesen Gründen wirkten Lieder vom Klassiker „Neon Golden“ immer noch frisch, jede bekannte Melodie wurde mit lautem Jubel aufgenommen.
Nebst den kompositorischen Feinheiten und den vielseitigen Arrangements war es aber vor allem grossartig, die Mitglieder der Band zu beobachten. Wo andere Künstler mit Backtracks und Samples arbeiten, legen The Notwist lieber selbst Hand an und pendeln zwischen Instrumenten und Gegenständen umher. Keine Ruhe kam auf, jeder Ton musste genau platziert werden – was auch ohne Probleme gelang. Besonders dank dem fantastischen Schlagzeuger Andreas Haberl verband sich alles zu einem brillanten Stimmungsbild. Rock, Indie, Electronica, Rave, Jazz – „Come In“ oder „Run Run Run“ fühlten sich in allen Gebieten wohl, und wir uns besonders in der Kaserne.
Etwas zurückhaltender und mit weniger ausuferndem Feuerwerk begannen The Amber Unit zuvor den Abend, dafür mit Heimvorteil. Die Basler sind seit über 20 Jahren im Geschäft und bewiesen mehrmals, dass ihr Gespür für emotionale Gitarrensongs zwischen alternativem Rock und romantischem Pop funktioniert. Mit dem neuen Album „Fear No Giant“ im Gepäck luden sie zu einer kleinen Reise in die Schönheiten des Alltags ein, oder auf den „Highway“. Ein sehr grosser Kontrast zu der Urgewalt von The Notwist war es auf jeden Fall, aber dafür ein sanftes Einstimmen in die Explosion.
Text: Michael Bohli
Bilder: Anna Wirz