10. Oktober 2018
KIFF – Aarau
Bands: Mother’s Cake / The Hirsch Effekt
Donnerstag, oder wie man ihn liebevoll auch nennt, der kleine Freitag, lockte mit seinen Abendstunden eine doch ansehnliche Menge an Besucherinnen und Besuchern in das Foyer des KIFF. Wobei die grosse Frage für die restlichen Stunden natürlich blieb: Wieso spielen die beiden Bands nicht in einem viel grösseren Lokal? Wo sind die Hundertschaften, die den Songs huldigen und diesen Mannen eine ganze Saison lang nachreisen? Verdient wäre es auf jeden Fall, aber dann hätten sie wohl nicht in Aarau Halt gemacht.
Für eine grosse Portion Aufgewecktheit sorgten The Hirsch Effekt, die sich so hyperaktiv und ungebändigt wie eh und je auf der kleinen Bühne zeigten. Seit elf Jahren toben Frontmann Nils Wittrock und seine Begleiter als Meister des Artcores zwischen Gehirne und Nacken umher. Und ich spürte in Aarau wieder, dass ich ihr aktuelles Werk „Eskapist“ auf keinen Fall verdaut habe. Die Mischung aus ultraharten Blasts, Gitarren- und Bassspiel in Lichtgeschwindigkeit und ausufernden, melodischen Passagen war fordernd, ein klanglicher Überfluss, der Wahn.
Viele Ideen und noch mehr Kaffee, was Wittrock nicht nur in seinem Buch über die Bandgeschichte beschrieb, sondern sich am Konzert klar bemerkbar machte – The Hirsch Effekt brauchen keine weiteren Substanzen und wirbelten schon fast unkontrolliert in ihren Kompositionen umher. Nebst Tapping und zerfetzten Plektren gab es zuckende Bewegungen, viele Posen auf der bandeigenen Nebel- und Strobokiste durch Bassisten Ilja Lappin und zu den Liedern passende Grimassen von Moritz Schmidt hinter den Trommeln. „Xenophotopia“ und andere Brecher, Metal-, Math- und sonstige Cores zugleich und zahlreich.
Der Kontrast, den Mother’s Cake aus Österreich danach boten, sorgte für eine Verwunderung. Wieso werden hier so selten die Taktarten gewechselt? Wieso spielte das Trio so langsam? Dieser progressive Hard Rock gewann im direkten Vergleich zum vorangegangenen Tornado keine Rekorde, wollte dies aber gar nicht. Hier herrschten, nebst den Rauchschwaden von Bassisten Benedikt Trenkwalder, eine entspannte Ausgelassenheit und Bier. Stroboblitze und harte Kontraste? Nein danke, lieber Groove und ausgewalzte Rhythmen. Frontmann Yves Krismer bändigte weder seine Haare noch Gitarrensaiten, die Farben eroberten die Scheinwerfer zurück.
„Creation’s Finest“ trotz all der Lässigkeit, in grossartig geschriebenen Liedern, welche mit viel Druck und Freude im KIFF gespielt wurden. Mother’s Cake, die sich ebenfalls im Jahre 2008 gegründet haben, erinnerten nicht nur an die seligen Zeiten der Rockmusik, sondern erlaubten sich Ausflüge in die Neunziger und zu Lenny Kravitz. Ohne jemals das Gesicht zu verlieren, ohne ihre Tätigkeit zu ernst zu nehmen. Da wurde eine Zugabe verlangt, bevor die Typen von der Bühne gingen, da wurden die Frisuren durch den Raum gewirbelt. Und wer als Band von unbekannten Verehrerinnen Blumen auf die Bühne gereicht bekommt, der hat wirklich alles richtig gemacht.
Text: Michael Bohli