16. März 2019
Diverse Orte – Zürich
Bands: Henry Jamison / A-WA / Black Tropics / Temples / Dagobert
Wenn ich etwas an diesem Samstagabend gelernt habe, dann ist es dies, dass man ein Besuch am m4music Festival in Zürich nicht planen kann. Begegnungen, Gespräche und Bekannschaften – all dies wirbelt eine Absicht durcheinander, all dies formt den Anlass konstant neu um. Das ist gut so, das ist erfrischend und wie ein Klassentreffen. Bei den ersten Klängen von „Du und ich“ um Mitternacht war aber klar, dass alles auf diesen Moment zugesteuert hat. „Nichts ist besser als du und ich“, sang Dagobert, der endlich wieder ein Konzert in der Schweiz spielte, der mit „Welt ohne Zeit“ ein fantastisches Album vorgelegt hat. Und ja, in dieser kurzen Sekunde stellte man sich vor, er singt von uns, von den Besuchern und den Bands, von dem Festival an sich.
Alle durften sich an diesem Anlass wie die Stars fühlen, ob beim Eintauchen in neue Klangwelten, beim Austausch mit Kollegen oder beim Entdecken der Zukunft. Das m4music ist nicht nur ein Konzertreigen, sondern Konferenz, Tagung und Demotape Clinic in einem. Förderung, Forschung und Neugierde, wie es auch die letztjährige Gewinnerin Jessiquoi bei ihrem kurzen Auftritt an der Preisverleihung so schön ausgedrückt hat. Und den diesjährigen Preisträgern ist eine Lust an den Experimenten wahrlich nicht abzusprechen. Ob in der visuellen Kategorie der Musikvideos, oder dann eben bei den Demotapes, die kommenden Jahre in der heimischen Szene scheinen grossartig zu werden.
Unfassbar und von den Emotionen überrumpelt zeigten sich die „Demo Of The Year“-Gewinner Asbest aus Basel. Ihr Noise-Shoegaze-Rock hat die Jury restlos überzeugt und beweist, dass Musik sehr wohl noch dreckig, rau und brutal ehrlich sein darf. La Colère aus Genf (Gewinnerin Kategorie Electronic) hantiert da schon etwas stärker mit Schönheit, versieht ihre Musik aber mit genügend Taktfallen. Und wenn Quiet Island (ebenfalls aus Genf, Gewinner Kategorie Pop) ihren Indie-Folk anstimmen, dann nicht ohne Melancholie. Gemäss seinem Hit trinkt Cobee mit allen (Gewinner Kategorie Urban, aus Bern), erzählt seine Geschichte und bringt die Körperteile in Bewegung.
Viel Bewegung boten natürlich auch die weiteren Konzerte, welche im und um den Schiffbau in Zürich Tausende von Besucherinnen und Besucher anlockten. Was bei Henry Jamison im Exil zur früheren Stunde noch poetisch leise und in der klassischen Singer-Songwriter-Form passierte, das wandelte sich bald zu einem interkulturellen Fest mit A-WA. Die Sängerinnen aus Israel mischten in der Halle ihre jemenitischen und arabischen Wurzeln mit elektronischer Frische, die Band spielte fröhlich auf und die internationale Reise begann innert wenigen Takten. Passenderweise fühlte sich der druckvolle und groovende Rock der Lausanner Black Tropics ebenfalls wüstenheiss an.
Das Trio präsentierte auf der Freiluftbühne ihr kürzlich erschienenes Debütalbum „Black Tropics“ und rockte alle mit ihrem gewaltigen Sound in den Boden. Da vermisste man die Synthesizerspuren nicht, da war man selig in den Riffs und Verzerrungen. Wie auch bei Temples, die ihren englischen Psychedelic Rock so authentisch in die Halle brachten, dass man sich plötzlich um Jahrzehnte zurückversetzt fühle. Wobei auch die modischen Klamotten und Frisuren der Mannen der Illusion noch mehr Gewicht verlieh und die Nacht in schillernden Farben leuchten liess.
Und dann eben die Liebesbekundung, die Umarmung, der Seelenbalsam bei Dagobert. Mit grosser Band bespielte er das Moods und zeigte, dass man die Liebe noch lange nicht als altertümlich abtun sollte. Denn wenn sich so viele Menschen im Namen der Leidenschaft am m4music zusammenfinden, dann ist dies Emotion pur – wie auch die wahrhaftigen und treffenden Worte des Künstlers. Hier ging niemand alleine nach Hause, hier schwebten wir alle gemeinsam davon.
Gewinner 2019
Demo Of The Year und Kategorie Rock: Asbest aus Basel
Kategorie Urban: Cobee aus Bern
Kategorie Electronic: La Colère aus Genf
Kategorie Pop: Quiet Island aus Genf
Bestes Musikvideo / Jury: „Catalan Heat“ von Puts Marie
Bestes Musikvideo / Publikum: „Mind Invaders“ von Too Mad
Indiesuisse Album of the Year 2018: Black Sea Dahu – „White Creatures“
Musikclub-Förderung „Cheers!“:
Centre Culturel Ebullition, Bulle
Rocking Chair, Vevey
Palace, St. Gallen
KIFF – Kultur in der Futterfabrik, Aarau
Le Terreau, Genf
Text: Michael Bohli