gurtenfestival.ch
Kerala Dust + Justice + Patent Ochsner + Thee Sacred Souls + Giant Rooks + Zaho De Sagazan + Eileen Alister + Oracle Sisters + florias
Gurten – Bern
Freitag, 19. Juli 2024
Text: Nathalie Lobsiger / Bilder: © Gurtenfestival + Nathalie Lobsiger
Es war wieder so weit – die vier schönsten Tage auf dem Berner Hausberg fanden bei perfektem Sommer- und Festivalwetter statt. Der Andrang auf die im Mai fertig renovierte Gurtenbahn war Mitte Nachmittag gross; auch im Wartebereich für die sportlicheren Festivalbesucher:innen, die den Berg zu Fuss erklimmen wollten, war mit Wartezeiten zu rechnen.
Auf der Waldbühne bespielten die Basler florias den sommerlich schönen Nachmittag mit ihrer Mischung aus Folk und Singer-Songwriter, angereichert mit Cello und Bass. Verträumt und optimistisch konnte florias im vergangenen Jahr bereits mit Auftritten beim imagine Festival (BS) oder auch beim Sichtfeld Openair (AG) Aufmerksamkeit erregen.
Sommerliche Leichtigkeit gab es auch auf der Hauptbühne, und zwar mit den Oracle Sisters aus Paris und ihrem Mix aus Dream Pop, Indie-Rock und Folk mit einer Prise Funk und Bossa Nova. Die Band besteht aus den Kindheitsfreunden Lewis Lazar, Christopher Willatt und der finnischen Musikerin Julia Johansen. Ihr Sound vermochte zu beflügeln und beförderte direkt an einen Nachmittag an der Côte d’Azur – mal 70er Jahre-lastig, dann wieder mit vielen modernen Einflüssen durchmischt.
Die spontan als Ersatz für die verhinderte Mary Middlefield auftretende, 21-jährige Sängerin und Songwriterin Eileen Alister aus Zürich bestach mit einer glasklaren und kraftvollen Stimme und eingängigen Popsongs. Ein Cover wurde ebenfalls zum Besten gegeben: «Videogames», im Original von der Pop-Ikone Lana Del Rey.
Etwas dynamischer ging es mit der aus Frankreich stammenden Sängerin Zaho de Sagazan auf der Zeltbühne weiter. Die blonde Ausnahmekünstlerin vermochte das Publikum mit ihrer charakteristischen Mischung aus Rock, Elektro und modernem Chanson in ihren Bann zu ziehen und zu verzaubern. Dominant waren bei diesem Auftritt die elektronischen Elemente mit Einsatz von technischem Equipment auf der Bühne sowie ihre unvergleichliche Art, mit dem Publikum zu interagieren. Zum Schluss des Sets gab es die genial arrangierte Coverversion von «Modern Love», im Original von David Bowie.
Giant Rooks aus Hamm bespielten die Hauptbühne mit einer erfrischend kühlen Brise, eingängigem Indie-Rock und einer sehr positiven und zuversichtlichen Attitüde. Die Band wurde im Jahr 2014 gegründet und 2019 wurde ihnen der 1LIVE-Krone-Förderpreis sowie der Preis für Popkultur in der Kategorie «Hoffnungsvollster Newcomer» verliehen. Die Bühnenpräsenz des charismatischen Frontmannes Frederik Rabe war faszinierend – die Band hat Anfangs 2024 ihr 2. Studioalbum «How Have You Been» veröffentlicht und so wurden natürlich auch ein paar Songs daraus performed, die vom Publikum sehr gut aufgenommen wurden.
Als nächstes stand der Auftritt der Thee Sacred Souls auf dem Programm der Zeltbühne – neuer Soul im traditionellen Gewand aus dem Süden Kaliforniens, mit der unglaublich soulig-emotionalen Stimme des Sängers Josh Lane. Die Band nahm das Publikum mit auf eine Reise der Zuversicht und verteilte grosszügig Balsam für die Seele. Ihre neuste Singleauskoppelung «Lucid Girl» wurde gespielt und es war eine wahre Freude, an diesem Auftritt dabei zu sein.
Nun zum publikumwirksamsten Moment des Abends: der Auftritt der Berner Kultband Patent Ochsner, die zum neunten Mal das Gurtenfestival beehrten und in der Vergangenheit schon oft für unvergessliche und emotionale Momente gesorgt haben. Genau in dieser Manier wurden sie euphorisch angekündigt und starteten mit dem Song «Sunnedeck» – verspielte Ragga- und Afrobeats gepaart mit Tubaklängen. Im Publikum befand sich ein frisch vermähltes Paar, das mit den Hochzeitsgästen ausgelassen feierte und den Moment genoss. Ein Festivalgast, der aus dem Ausland anwesend war, fragte in die Runde, wie diese Band, die da spielt, sich nennen würde – was im Publikum für Lacher sorgte. So war die Stimmung grossartig und ausgelassen. Es wurden erwartungsgemäss alle Songs gespielt, die für emotionale Momente sorgten, «Ludmilla», «Guet Nacht, Elisabeth» und «Bälpmoos» mit vielen Ballonen im Publikum, der Song wurde in die Länge gezogen und das Publikum konnte nicht genug davon kriegen. Dann kam er, der obligate «W. Nuss vo Bümpliz»-Moment, auf den alle gewartet hatten und man wurde definitiv nicht enttäuscht. Frenetisch wurde mitgesungen. «Scharlachrot» durfte, inklusive eines virtuosen Trompetensolos, ebenfalls nicht fehlen. Büne Huber hatte eine Operation an den Händen und könne aktuell nicht Gitarre spielen, dafür sei sein «Brüetsch» eingesprungen.
Die Liebhaber:innen der elektronischen Klänge wurden am Auftritt des französischen Duos Justice mit einer sterilen, beinahe Kraftwerk-ähnlichen Performance von Xavier de Rosnay und Gaspard Augé aus Paris reichlich belohnt. Die Bühnenbeleuchtung war sehr spannend inszeniert, mit Scheinwerfern, die im Verlauf heruntergelassen wurden und mal gerade, mal schräg in den verschiedensten Farben die Szenerie auf der Bühne gebührend unterstrichen. Gespielt wurden «One Night/All Night» und «Neverender» vom Album «Hyperdrama», ihrem vierten Studioalbum, das im Frühjahr 2024 erschien. Die Performance versetzte das Publikum in Party- und Feierlaune.
Mit elektronischen Hymnen der Zürcher Band Kerala Dust war der letzte Act des Abends auf der Zeltbühne angesagt. Die Band hätte es fast nicht rechtzeitig geschafft, da ihr Flug von Berlin annulliert wurde. Entsprechend überglücklich war die Band, dass sie ihren Auftritt am Gurtenfestival doch wahrnehmen konnten. Die Band wurde 2016 in London gegründet, mittlerweile ist Kerala Dust zwischen Berlin und Zürich basiert. Ursprünglich entstand die Band aus der Liebe zu elektronischer Musik, die in gekonnter Manier mit Einflüssen aus Americana und Blues verflochten wird. Dem Publikum gefiel dies ausserordentlich und so wurde im Zelt euphorisch getanzt und gefeiert.