11. Oktober 2017
Plaza Kosmos – Zürich
Bands: Crimer
Ein gesamtes Jahrzehnt in eine komprimierte Kunstform zu pressen ist nicht einfach, besonders wenn das Resultat so authentisch wie möglich sein sollte. Was Bret Easton Ellis für die Achtziger mit seinem Roman „American Psycho“ gelungen war, stellte sich dann aber doch als gnadenlos, tiefschwarz und praktisch unlesbar heraus. In der Musik gibt es nun einen jungen Künstler, der dieses Kunststück auch zu vollbringen versucht, wenn auch eher auf der verklärten und romantischen Seite: Crimer steht seit wenigen Monaten für tanzbaren und mitreissenden Synthie-Pop, hochstilisiert. Beim ersten von zwei Auftritten im Plaza Club drehte sich der Mann der dunklen Seite zu. Aber ich greife vor.
Wer mit einer kurzen EP gleich die gesamte Schweizer Musikszene auf den Kopf stellen kann, der hat etwas richtig gemacht. Crimer, aus dem sankt-gallischen Balgach stammend, bewies im April mit „Preach„, dass Popmusik mit voluminösen Synthie-Beats immer noch aktuell sein kann. So bestimmten auch beim Auftritt in Zürich die programmierten Backtracks das Geschehen, der Künstler selber hantierte an der elektrischen Gitarre und dem Mikrofon – wenn er nicht gerade seinen Körper freihielt, um extrovertierte und wilde Tanzbewegungen zu vollführen. Schnell war klar, dieses Konzert lebt genauso stark von der Performance wie der Musik.
Kein Wunder also, bewegten sich auch die Zuschauer in diesem kleinen, aber zum Glück nicht brechend gefüllten Clubraum mit jedem Song etwas mehr. Die wunderbar krachenden Beats, die an The Cure erinnernden Riffs und die herrlich attraktiven Melodien liessen die Beine über den farbig blinkenden Boden hüpfen und die Hände in die Höhe reissen. Dank wahren Disco-Reissern wie „Brotherlove“ gibt es bei Crimer auch genügend Momente, um einen frenetischen Jubel entstehen zu lassen. Faszinierend aber auch, wie sicher und voluminös seine Gesangsstimme live ist – hier steckt viel Soul und Liebe drin.
Sicherlich ist solche Musik im eigentlichen Sinne weder innovativ noch wirklich neu, Crimer hat aber die goldene Ader der Wave-Wunder angezapft und lockt Grosswerk um Grosswerk heraus. Schön zu hören und bereits angekündigt war auch, dass seine Musik gerne die Tanzpfade verlässt und in die schweren und düsteren Gebiete des Wave abbiegt. Kein Wunder also, fand man im Publikum einige Leute, die nach dem Konzert noch an der „More Than Mode“-Party weitertanzen gingen. Und somit ist auch bestätigt, dass sich Crimer nicht nur auf die Sonnenseite legt, sondern auch bei seiner Jahrzehntbetrachtung die Schatten berücksichtigt. Dies machte sein Konzert auch gleich unvergesslich und ausbalanciert – eine grosse Zukunft folgt.
Text: Michael Bohli