26. April 2019
Diverse Orte – Zofingen & Olten
Bands: Simon Berz / Jolly & The Flytrap / Emilie Zoé / Eddie Delaluz / Camilla Sparksss / Bearli The Teasy / The Yelins / The Lovers
Kultur kennt keine Grenzen, Kultur hat kein Geschlecht. Das lässt sich ohne Manifest beweisen, das ist ein Liebesbeweis für die Menschheit. Bereits zum zweiten Mal haben sich die Kulturbetriebe Oxil Zofingen und Coq d’Or Olten darum entgegen allen Schwarzmalereien zusammengetan um gemeinsam die Musik, die Region, das Leben zu feiern.
Die Erdgeschichte in den Ohren zu hören, vorgespielt auf Millionen von Jahren alten Steinplatten – das war mystisch und hypnotisch zugleich. Simon Berz lud die Anwesenden im Bistro des Oxils zu einer Zeit- und Klangreise ein, entlockte dem harten Material zauberhafte Gesänge und bewies, dass das gesamte Universum schwingt.
Fast frech war danach der Besuch in der Bandprobe von Jolly & The Flytrap. Die legendäre Schweizer Gruppe um Frontmann Richie kehrt endlich auf die Bühnen zurück und nutzte das COX, um zwischen Kerzenständern, Kabelkisten und Discokugeln ihren Electric Polka neu zu beleben. 1986 gegründet, bewies die Formation an diesem Freitag, dass Lieder kein Alter kennen. Schnell gingen die Rhythmen in die Beine, zu schnell waren die wenigen Songs gespielt.
Was zwischen Zügelkisten, Ständerlampen und Werkzeugen ebenso der Fall war – die Zeit mit Emilie Zoé verging nämlich wie im Flug. Die Künstlerin aus der Westschweiz fühlte sich sichtlich wohl in der Zofi Brocki, zelebrierte die intensiven Liedern ihres Albums „The Very Start“ mit lauten Gitarrenakkorden und dem vielseitigen Schlagzeugspiel von Nicolas Pittet. „Tiger Song» wurde zum kollektiven Mitsingspiel, „Sailor“ zum Beweis, dass Musik weder Bühnen noch Abgrenzungen benötigt. Ehrlich, emotional, berührend – ein grosses Highlight.
Spätestens ab dem Moment wollte der Abend nicht mehr aufhören zu strahlen. Kurz um die Ecke gegangen, traf man im Warenlift den Pianisten Eddy Delaluz, der seine Finger gefühlvoll über die Tasten wandern liess. Direkt aus der Seele kamen seine Kompositionen und waren heller als die Scheinwerfer, welche die fleckigen Wände beleuchteten. Diese Balladen benötigten keine Namen, sie waren universell.
Zum Kontrastprogramm lud danach die kanadisch-schweizerische Musikerin Camilla Sparksss, welche den Industriehangar wortwörtlich zum Beben brachte. „Brutal“ heisst nicht nur ihr neustes Album, bedrohlich und gewaltig waren Songs wie „So What“ und „Are You OK?“. Stroboblitze, laute Keyboardklänge, dröhnende Bässe – was sonst als Lagerplatz für Papier genutzt wird, das war für eine Stunde der düstere Technoclub, den man in Zofingen sonst vermisst. Sich austoben, während die Welt um einen herum zerbricht, grossartig.
Das verlieh die nötige Energie, um danach mit allen Veranstaltern und Neugierigen den Weg nach Olten auf sich zu nehmen. In der Unterführung wurde man von Bearli The Teasy begrüsst, mit seiner kräftigen Stimme und der akustischen Gitarre. Mit seinen Punksongs begleitete er den gesamten Zirkus im Zug nach Olten, über Stock und Stein zur Galicia Bar.
Was die restlichen Barbesucher wohl von diesem Aufmarsch gehalten haben? Das COX übernahm in Windeseile den Partyraum und den Platz vor der Bar – denn das Konzert der Genfer The Yelins wollte niemand verpassen. Zumindest nicht, wer ein auch nur kleines Faible für Musik der Sechziger und Siebziger besass. Die Herren glitzerten nicht nur mit ihren Mähnen und Kleider, sondern auch mit fesselnden Songs und einer Stimmung zwischen Queen, Temples und rauen Ausbrüchen.
Wirklich roh und zügellos war der Abschluss im Coq d’Or, hier liess man seinen Gefühlen und seiner Euphorie freien Lauf – passend zum Getue von The Lovers. Die drei Mannen nutzten einzelne Akkorde zu ihren Gunsten, schrien gemeinsam mit dem Publikum die Parolen und wälzten sich zwischen Asche und Bierlachen auf dem Boden des Kellerraumes. Ja, Punk lebt, ja die Nacht ist geiler als der Tag. Wer sich nach diesem Gemenge nicht mehr an die folgende Party erinnern konnte, der hatte alles richtig gemacht.
Nicht nur richtig, sondern fantastisch und perfekt war die Veranstaltung des COX. Schöner, emotionaler und farbenprächtiger kann man die heimische Kultur nicht würdigen. Da bleibt nur zu sagen: Danke und bis in einem Jahr!
Text: Michael Bohli
Bilder: Nicole Schaad