Dynamo – Zürich
Donnerstag, 14. Dezember 2023
Text: Torsten Sarfert
Cory Branan, support und hibbeliger Troubadour an der Akustik-Gitarre, erinnerte an diesem Abend ein wenig an „Pumpkin“, die von Tim Roth gespielte Figur aus „Pulp Fiction“. Ob die fahrige Performance Branans an den von ihm konsumierten „couple of Glühweins“ vom Weihnachtsmarkt oder an etwas anderem lag, liess sich nachfolgend nicht mehr zweifelsfrei feststellen. Mit energisch vorgetragenen, skizzenhaft anmutenden Songs über Liebe, Tod und Freiheitsdrang, wirkte sein Auftritt streckenweit etwas improvisiert. Ein wenig Ruhe konnte aber Chuck Ragan höchstselbst in den Auftritt bringen, als er sich zu seinem Buddy auf die Bühne gesellte, beide Corys „Survivor Blues“ anstimmten und den Grundstein für einen ganz wunderbaren Abend legten.
Währenddessen bereitete sich in einer absurd langen Schlange vor dem Bierstand ein Grossteil des Publikums auf den Hauptact des Abends vor: besagten Chuck Ragan & The Camaraderie.
Viel umzubauen gab es nicht und so legten die Kameraden ohne grosse Verzögerung los und entführten das rappelvolle Dynamo in die unendlichen Weiten, in der sich Menschen aus Songs wie „Nomad By Fate“ und „Vagabond“ für gewöhnlich bewegen. Es wurde das ganz grosse Besteck des amerikanischen Traums ausgepackt und die omnipräsente wunderbare Lap-Steel Gitarre jaulte sehnsuchtsvoll dazu. Wie das workingclass-Sprachrohr Bruce Springsteen, adressiert Chuck Ragan (mit ähnlicher vocal-power) seine eingängigen und mitreissenden Folk-Rock Songs an die einfachen Leute. Themen wie Familie, Freunde und ein selbstbestimmtes Leben in der Natur stehen stets im Vordergrund. Dies wirkt sich anscheinend auch auf die fairen Eintritts- und Merchpreise, sowie die Publikumszusammensetzung aus. Hier feiert die ganze Familie inkl. Kindern und vom IT-Nerd bis zum zottelbärtigen Selbstversorger (oder war es doch ein Hipster?) ist gefühlt jede Art freundlicher Mensch vertreten. Friedlich, entspannt und gut gelaunt.
Der bärtige Mann am Mikrofon ist ebenfalls entspannt, hat soeben schon einige Hits wie „Revved“ und „Flame In The Flood“ abgebrannt und wagt nun spontan das heikle Experiment, einen Fan für ein Liedchen zu ihm auf die Bühne zu lassen. Das Duett „Nothing Left To Prove“ (mit Carlos aus Biel!?) geht in der Folge sogar äusserst überzeugend über letztere und setzt der guten Laune nochmals einen obendrauf. Als dann auch noch Cory Branan – ausgestattet mit einer sägenden Telecaster – wieder die Bühne betritt, gibt es kein Halten mehr. Jetzt passt auch Corys überspulter Habitus bestens ins Gesamtgefüge und der Memphis Madman darf bei fünf Songs etwas Cosmic in den Country kippen. Darunter sind auch die zwei brandneuen Songs „Echo The Halls“ und „One More Shot“, mutmasslich Vorboten eines neuen Chuck Ragan Albums, welches 2024 erscheinen soll.
Am ergreifendsten ist Hot Water Music Frontmann Chuck Ragan jedoch, wenn er seine Songs nur mit akustischer Gitarre, Mundharmonika und seinem kongenialen Lap-Steel Gitarristen Todd Beene vorträgt. Drei Songs in dieser Konstellation (darunter das fantastische „For Broken Ears“) bekommt das beseelte Dynamo Publikum auf die Ohren und es kullert die ein oder andere Träne. Als Zugabe folgen noch drei weitere Songs, wieder mit kompletter Band und voller Kraft und dann ist nach knapp zwei Stunden das vorzeitige Weihnachtsgeschenk eingepackt.
Ob der andere Bärtige dies toppen kann?
Setlist [Quelle: Setlist.fm]
- Nomad By Fate
- Wish On The Moon
- Something May Catch Fire
- Revved
- Bedroll Lullaby
- Vagabond
- Flame In The Flood
- Nothing Left To Prove
- Rotterdam
- You Get What You Give
- For Goodness Sake
- Non Typical
- Whistleblowers Song
- One More Shot
- Echo The Halls
- Long Water
- What We Leave Behind
- For Broken Ears
Zugaben
- The Boat
- California Burritos
- Meet You In The Middle